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Frühstück im Plastik

NAPOLI. Der Frühstückskellner im «Hotel Palazzo Firenze» in Neapel entschuldigt sich tausendmal. «Non c’é buffet», sagt er, leider kein Frühstücksbuffet, aber bei Kaffee und Säften dürfe ich mich gerne selber bedienen. Das Buffet, also der Ort, wo sonst eines ist, macht einen himmeltraurigen Eindruck. Leere Plexiglashauben, leere Rechauds, leere Früchteschalen, kein Müesli, kein Fruchtsalat. Sie würden einem besser gar nicht in den Frühstücksraum lassen, dann könnte ich mir diesen Anblick ersparen. Immerhin gibt es «uovo strapazzato» Rührei, jedoch kein «bacon fritto». Den traurigen Anblick erspart einem das «Mercure» in Bari. Im grauslichen Glaspalast im wunderschönen Park etwas abseits des Zentrums gehen sie einen Schritt weiter und schliessen gleich das Hotelrestaurant. Frühstück gibts im Freien, ein Buffet gibts auch hier nicht und Rauchen ist erlaubt. Aus den Lautsprechern plärrt grausliche Popmusik. Das Frühstück wird mir hier von einer sehr dienstfertigen Bediensteten an den Tisch gebracht. Mercure, das ist – normalerweise – 4*-Komfort. Doch davon ist nichts zu sehen und zu spüren. Das «Frühstück» kommt auf dem Tablett und wird auf den baren Blechtisch platziert. Kein Stofftischtuch, keine Stoffservietten, keine Selbstbedienung an der Kaffeemaschine. Alles Ess- und Trinkbare ist in Plastik verpackt. Das frische Gipfeli aus dem Aufbackofen ist ein Brötchen von gestern, verpackt in Folie. Dazu eine Unmenge furztrockene Grissini. Natürlich gibt es auch hier kein Müesli und auch keinen gebratenen Speck, dafür Frischkäse – im versiegelten Plastikbecher. Italiens Hotellerie ist im Corona-Ausnahmezustand. Das muss man in Zeiten wie diesen halt akzeptieren. Dafür ist man beim Frühstück fast allein, das ist ein nicht unerheblich positiver Aspekt der Sache. Es geht aber auch anders. Im B&B «Al console» in Monopoli serviert mir la signora alles, was zu einem Frühstück gehört, frisch und unverpackt. Aber leider auch hier: kein gebratener Speck und kein Rührei. Sind das Corona-Auswirkungen oder essen ItalienerInnen per se keinen Speck zum Frühstück?

Zurzeit Standardfrühstück im Edellhotel «Mercure» – tutto in plastico.

Grausame Welt – oder Bier

PROCIDA. Eine Entscheidung, die leicht fällt. Draussen, da wartet die grausame Welt, eine Welt in Masken und Handschuhen, eine Welt die so keine mehr ist. Die Seuche lauert in jedem Kubikzentimeter Luft, an jedem Quadratzentimeter Haut, an jedem Handlauf, jeder Türklinke, jedem Menschen.

CRUEL WORLD. Da nehm› ich doch lieber das BEER, oder noch besser, in Italien, ein Glas Wein. Auf der Insel Procida ist’s weisser Wein. Falanghina zum Beispiel. Weisser kühlt. Bei dieser Hitze. 35° jeden Nachmittag. Der Tod für jedes Bakterium, jedes Virus, jeden Pilz. Noch immer scheinen die ItalienerInnen geschockt vom unsichtbaren Feind, der da über sie herfiel im Januar. Drei Monate Ausgangssperre haben sie hinter sich. Drei Monate alleine, zu zweit, zu dritt in der kleinen Wohnung. Nur eine/r durfte raus mit dem Hund oder um einzukaufen, und der oder die musste sich selbstdeklarieren: 1. ich bin gesund, 2. ich muss raus weil es dringend ist und 3. ich bin für mich selber verantwortlich.

Eine grausame Welt, in der man sich erklären muss, warum man draussen in ebendieser grausamen Welt ist. Doch ist, oder war’s drin weniger grausam? Eng, stickig, heiss, einander auf den Sack gehen, Streit, Gewalt, Kampf um Lebensmittel, wer muss, darf raus. Ein Stück dieser grausamen Welt liegt hinter ihnen, den ItalienerInnen, liegt hinter uns. Vielleicht. Wir nutzen die Zeit, niemand weiss wie’s morgen ist, nutzen wir die Zeit. Leben wir, gehen wir raus, trinken wir Bier! Oder eben Wein. Vino bianco, Falanghina zum Beispiel.

Entscheidung an der Mole von Procida

Der tägliche Temperaturcheck

NAPOLI. In Italien ist es derzeit nicht gemütlich, wenn man aus irgendeinem Grund Fieber hat. An Flughäfen, grossen Bahnhöfen, in vielen Restaurants, beim Besteigen einer Fähre – überall wird einem die Temperatur gemessen. Draussen ist es am Nachmittag jeden Tag um die 35 Grad und man hat ständig das Gefühl, jetzt sei man selber übertemperiert. Doch die Messgeräte arbeiten offenbar genau, geben bei mir stets 35.6 Grad an. Ich gehe zudem auch davon aus, dass die Temperatur der Leute auch unbemerkt gemessen wird. Und man wird wohl auch erfasst per Video, so wie in China. Keine Ahnung, was passiert, wenn man zu hohe Temperatur hat. Ganz blöd wär das am ersten Ferientag.

Doch solche Gedanken muss man weglegen. Man kommt ja wegen der Verbringung eines möglichst erfreulichen Urlaubs hierher. Erfreulich ist derzeit ein Urlaub in Italien, wohl auch in anderen Ländern, in der Tat. Es hat nämlich nicht sehr viel Leute, Touris, vor allem keine ausländischen (deutschen) Touris. Die Italiener sind selbst auch noch nicht allzu urlaubsgeil, obwohl seit dieser Woche Schulferien sind. Für unsereiner ist es das Paradies. Fast alle Restaurants sind geöffnet, alle Züge verkehren, die Flüge auf den Hauptverkehrsachsen sind in Betrieb, es herrscht fast überall schon wieder der Normalbetrieb. Die Leute, Kellner, Taxifahrer, Rezeptionisten (in Italien werden immer noch viele Jobs in der Tourismusbranche von Männern gemacht) sind freundlich. Sie wissen, was sie an einem haben. Die Läden sind offen, jedoch leer. In den ristoranti wird in gebührendem Abstand aufgetischt, auch auf der Terrasse. Im Zug ist jeder zweite Platz gesperrt, dennoch sind die Züge nicht voll. Leider aber funktioneiren diverse Services noch nicht, z.B. die Tour auf den Vesuv. Im Hotel Mercure in Bari sind Bar und Restaurant zu, das Frühstück wird statt am Buffet auf einem Tablett serviert und es ist alles, ausser der Kaffee, in Plastik verpackt. Nicht grad im Sinne des Klimaschutzes, dafür im Sinne des Virusschutz. Demgegenüber gibt es nirgends Papierhandtücher auf den öffentlichen Toiletten (was schon vor Corona nicht der Fall war), dafür die als Virenschleudern bekannten Lufttrockner. Na da lass› ich meine Hände doch lieber nass.

Temperaturmessung und Videoaufzeichnung im Bahnhof von Neapel

Maske auf Mann (oder Frau)

NAPOLI. Keine/r sagt hier «maschera». Maske ist etwas für die Fasnacht. In Italien heisst es «mascherina», kleine Maske oder Halbmaske. So eine sollte man schon bei der Einreise bei sich haben. Auf dem Flughafen ZRH schenken sie einem eine Behelfsmaske, denn in den Flügen der Alitalia sind sie vorgeschrieben. Die Alitalia verschenkt aber nichts, auch kein Bier oder Wasser. Die Behelfs-mascherina, eigentlich nur ein gefaltetes Stück Vlies mit zwei Schlitzen zum Einhängen an den Ohren, ist wahrscheinlich in der Not in der Schweiz oder in China produziert worden und hat den Vorteil, dass man sie 4x nutzen kann, einfach umdrehen oder auf die andere Seite falten (dass das nicht den behördlichen Empfehlungen entspricht, ist ein Nebeneffekt, aber pragmatisch).

Im Süden angekommen, ginge es auch ohne Maske. Im Freien trägt fast niemand das unbequeme Ding. Sobald man aber in geschlossene Räume geht – Züge, Bahnhöfe, Fähren, Läden, Kirchen, aber auch Taxis oder Shuttles – muss man eine tragen. Das heisst, man wird freundlich bis stringent darauf aufmerksam gemacht. Als ich in Napoli Centrale aus dem Zug steige, suche ich erst mal eine Apotheke und werde dort energisch von Dame mit Visier darauf hingewiesen, dass ich hier nicht ohne Maske eintreten dürfe. Ja deswegen sei ich ja hier, brauche eine mascherina, sage ich. Es gibt zertifizierte Masken (mit Abkürzung) und ganz normale. Die zertifizierten sind teuer, die unzertifizierten auch. 2€ für das Set mit 2 Stück. Ich kaufe 2 Sets, muss wohl, weil ich keine andere Verkaufsstelle finde. Masken darf offenbar nur die Apotheke kaufen. Schwarzhändler sehe ich keine, dafür sehr viel Polizei und bewaffnetes Militär, das selbst grösstenteils auch maskiert ist.

Temperaturmessung schon im Flughafen Zürich (Hintergrund: alle Bierstellen im Terminal A zu)