Man muss ja auch mal für sich schauen. Habe mir neue Latschen gekauft und bin sofort ziemlich gockelmässig durch den Markt von Bahir Dar zur Seepromenade runtergelatscht. Da fragte mich ein junger Mann, wie ich zu so kräftigen Waden komme. Er sei Fussballer und trainiere wie ein Verrückter, aber er kriege einfach keine richtig dicken Waden hin. «Are you doing sports, biking or hill climbing?» Der scherzt wohl, dachte ich – ich und Sport? «Thats nature», sage ich, «you have it or you do’nt have it!» «Ok, have a nice day!» sagte er und grinste.
Koa Hiatamadl mog i net Hot koane dick’n Wadln net I mog a Madl aus da Stadt Wos dicke Wadln hat
(Hubert von Goisern)
Und dann habe ich mich noch rasieren lassen. Morgen gehts zurück nach Europa, da muss man, also ich, schliesslich gut aussehen!
Der Tanasee (amharisch «t’ana häyq») gilt allgemein
als Quelle des Blauen Nils. Er liegt im Hochland von Abessinien (Region
Amhara) auf 1768 m.ü.M. Damit ist er der höchstgelegene See Afrikas und
ausserdem der grösste See Äthiopiens. Seit 2015 ist er das
Naturreservat «Lake Tana Biosphere Reserve» und gilt als geschützt.
Das mit dem Nil als Quelle ist nicht ganz richtig. Der längste Zufluss des Lake Tana ist der Gilgel Abay (Kleiner Nil), nun meinen die Einen, der Kleine Nil ist auch der Blaue Nil und somit ist die Quelle des Blauen Nils gleichbedeutend wie die Quelle des Gilgel Abay. Andere beharren darauf, dass der Tanasee die Quelle des Blauen Nil ist und der Kleine Nil nur ein Zufluss unter anderen des Sees.
Der Kleine Nil also fliesst durch den Tanasee und wird zum Blauen Nil, der wiederum fliesst mit einen zünftigen Drall im Gegenuhrzeigersinn um den Berg «Choqa», 4157 Meter hoch, macht eine Drehung um 270 Grad und strebt dann westwärts in Richtung Sudan. Kurz vor der Grenze wird der Blaue Nil seit einem Jahr gestaut. Dort entsteht in einer unbewohnten Bergregion der «Grand-Ethiopian-Renaissance-Dam» («Große Talsperre der äthiopischen Wiedergeburt»). Dieses hydroelektrische Kraftwerk ist, oder wird, das grösste Kraftwerk auf dem afrikanischen Kontinent.
Das Renaissance-Kraftwerk wird im Endausbau (vorgesehene vollständige Inbetriebnahme ist 2022) 6’000 MW elektrische Leistung abgeben können – fünf Mal die Leistung des Kernkraftwerks Leibstadt/CH. Noch ist die Staumauer im Bau. Bereits hat die Füllung des neuen, 74 Mia Qubikmeter grossen Stausees begonnen. Und bereits hat diese Füllung, bzw. die Stauung des Blauen Nils zu scharfen Kontroversen mit dem Sudan und Ägypten geführt. Die beiden Staaten, deren Landwirtschaft und Gesellschaft praktisch nur vom Wasser des Nils lebt, befürchten dir grosse Dürre. Drei Jahre würde die Füllung des neuen Stausees dauern, wenn der Blaue Nil komplett gestaut würde (womit auch kein Strom produziert würde). Nun verhandeln die drei Staaten über die Mindestwassermenge, die Äthiopien während der Füllzeit durchlassen muss.
Mein Fahrer Balai ist ziemlich schweigsam. Was wohl damit zu tun hat, dass er fast kein Englisch spricht (und ich kein Äthiopisch). Erst bei der Nachrecherche wird mir klar, was dies für eine bedeutsame Brücke ist (siehe Bild unten). Ein wenig aufgeschreckt durch den militärischen Checkpoint vor der Brücke frage ich Balai, was hier los ist. Er deutet auf die andere Seite des Flusses: «This is Amhara country, and this here ist Oromia country.» Hier treffen zwei Regionen aufeinander, zwei Ethnien der vielen in Äthiopien. Und diese beiden, die Amhara und die Oromia, mögen sich nicht besonders. Aus den kurzen Bemerkungen meines Fahrers schliesse ich, dass die Präsenz von Militär und/oder Polizei, etwas mit den Reibereien zwischen diesen beiden Ethnien zu tun hat.
Doch die Präsenz der Uniformierten hat wohl mehr mit der Bedeutung der Brücke zu tun. Die «Hadesi Bridge» führt hier über den Baluen Nil. Sie ist weit und breit, also wirklich sehr weit und breit, der einzige Übergang über die Schluchten des rechten (blauen) Arms des längsten Stroms der Welt. Die Brücke ist auch Teil der «Cape to Cairo Road» (Pan-African Highway), der längsten durchgängig befahrbaren Strasse der Welt (die Panamericana ist nicht durchgängig befahrbar und darum nicht die längste).
Die neue Hadesi-Brücke steht, bzw. hängt, seit 2008. Gleich daneben steht immer noch die von den Italienern gebaute Steinbrücke, die nicht mehr befahren, wohl aber zu Fuss überquert werden kann, was aber niemand tut, weil keine Fussgänger hier vorbeikommen. Die neue Brücke darf von Fussgängern nicht begangen werden – warum auch immer. Man darf auch nicht auf der Brücke kreuzen (mit Fahrzeugen) oder zu zweit hintereinander rüberfahren (fotografieren darf man grad auch nicht). Um die Brücke zu überqueren, fährt man von Hochland bei Gohatsiem von über 2500 Meter über Meer auf etwa 1500 müM runter und dann gleich wieder fast ebensoviel wieder hinauf nach Dejen. Der Blaue Nil unter der Brücke ist hier noch ziemlich jung (und braun), obwohl er schon ein paar hundert Kilometer unterwegs ist. Der Blaue Nil heisst in Äthiopien übrigens nicht Nil, weder weiss noch blau (was er ohnehin nicht ist), sondern «Abay».