Hatschepsut hätte Freude gehabt an mir – die Tempelwächter weniger – Wie man ein verbotenes Foto schiesst, andere die Busse bezahlen lässt und sich dann davonmacht
LUXOR – «Das ist die Westbank», meint mein Fahrer, «das ist ganz etwas anderes!» In Luxor unterscheidet man streng zwischen Ost- und Westufer, der «Eastbank» und der «Westbank». Luxor liegt auf der Eastbank, nichts von Luxor befindet sich auf dem westlichen Ufer, darauf legt Mohammed, mein Taxifahrer, Wert. Er wohnt am Ostufer, also in Luxor. Im Gegensatz zu Luxor, das eine Stadt (ca. 500’000 Einw.) ist, gibt es auf der Westbank nur ein paar kleinere Dörfer. Die meisten Einwohnenden dort sind Bauern, beschäftigt mit der Produktion von Zuckerrohr.
Die beiden Haupt-Hotspots von Luxor findet der Tourist auf der Westbank, also gar nicht in Luxor: Das Tal der Könige und der Totentempel von Hatschepsut. Da rennen sie alle hin, die Touris, die in den Hotels von Luxor für eine Nacht bleiben, das Hotspot-Besichtigungsprogramm innerhalb des einen Tages abspulen und dann wieder verschwinden. Zum Flughafen, nach Assuan und Abu Simbel, oder per Bus durch die Nacht den Nil runter nach Kairo. Zu Hatschepsut und den Königen fahren sie alle über die einzige Brücke in Luxor, die zudem noch etwa 4 Kilometer flussaufwärts steht (?) über den Nil, sie alle müssen hier durch, es gibt kein Hotels auf der Westbank und keine Alternative zu dieser Brücke. Von meinem Zimmer im «Achti Resort» kann ich den Berg, in den Hatschepsut’s Tempel gebaut wurde, von blossem Auge sehen, aber der Weg dahin misst 15km und deshalb braucht man ein Taxi.
Dass alle dann durch dies selbe Strasse fahren, ist gut für die Handwerker und Händler auf der Westbank, die hier Vasen und Skulpturen aus Alabaster und/oder Basalt verdealen und sonst noch Dinge, die man nicht unbedingt braucht, aber einen an den schönen Sightseeing-Urlaub am Nil erinnern. Auch ich werde vor so einem Bildhauerladen abgeladen, wo mir der Meister zeigt, wie fleissig sein Sklave (Mitarbeiter) an einem Alabastertopf kratzt, den er dann irgendwann, wenn er den fertig ist (der Topf, nicht der Sklave), an eine Chinesin verkauft. Überhaupt, die Chinesen seien seine Konkurrenz, exakt genau die gleichen Dinge stellen sie her, aber aus viel billigerem Material, Kunststoff, Beton oder Gips. Lieber habe er die Chinesen als Kunden, aber meistens verstehen sie ihn nicht, da Chinesen nicht Englisch sprechen, es sei denn der oder die GuidIn. Die dann alle Hände voll zu tun haben, ihrer Reisegruppe die Obersuperspezialangebote des wortgewandten Händler’s zu verklieckern.
Das Geschäft laufe schlecht zurzeit, meint er, früher wären viel mehr Leute gekommen, ich sei der erste Kunde heute (um 11 Uhr) und die Chinesen kaufen sehr zurückhaltend. An seinem Verkaufstalent jedenfalls kann es nicht liegen. Das beweist er mir und will mir das und dieses und beides zusammen für 125$ verkaufen, oder die kleine Figur für 80$, was natürlich masslos zuviel ist, meine ich. Und die Figur ohne linken Arm, das müsse so sein, früher habe man Dieben den Arm abgehackt, und das sei eben so einer, sagt der vife Händler. Wobei, meiner Meinung nach, der Arm abgebrochen ist, vielleicht von einer unvorsichtiige Chinesin vom Regal geschupft.
Die Zeiten sind schlecht in Luxor (in ganz Ägypten) und so müssen halt die, die noch kommen, gehörig abgezockt werden. Manchmal triffts aber auch die Eigenen. Als wir auf dem Parkplatz vor dem Hatschepsuttempel vorfahren, steige ich aus und mache gleich mal ein Foto vom Ganzen. Schon rennen zwei Parkwächter daher und stauchen meinen armen Mohammed zusammen. Ich habe keine Ahnung worum es geht, es wird mir aber bald klar, die Beiden weisen auf das Schild (das man jetzt wirklich nicht grad auf Anhieb sieht), worauf steht, dass das Fotografieren der Anlage, ohne dass man eine Ticket gekauft hat, verboten ist. Der wie gesagt arme Mohammed hat das nicht gewusst, und deshalb muss er wohl eine Busse bezahlen, denn der Eine der Beiden beginnt zu telefonieren.
Hatschepsut’s Totentempel für 425 ägyptische Pfund
Ich fühle mich ziemlich unschuldig, meine aber dennoch, dass dies hier reine Abzockerei sei, und meine im weiteren zu Mohammed, dass wir gehen sollten, ohne Besuch des Tempels, also ohne ein Ticket zu kaufen, da dies ein ungastlichr Ort ist. Es vergeht keine Stunde, klingelt Mohammed’s Handy, sein Chef staucht ihn zusammen dass ich es noch auf dem Beifahrersitz höre. Die Polizei habe sich gemeldet, die Busse betrage 425 EGP, morgen Samstag zu bezahlen auf dem Polizeiposten. 23 Fr., horrend, würde ich meinen, das meint mein Mohammed natürlich auch und er will, dass ich das übernehme, zumindest mich beteilige. Ich meine, es wäre nicht meine Schuld, ich sei völlig nichtsahnend und von ihm müsse man erwarten, dass er über die Gepflogenheiten an seinem Arbeitsort Bescheid weiss. Natürlich tut er mir auch ein wenig leid, aber Mitleid ist nicht das was man zeigen sollte in Ägypten, denn schon 5 Minuten später zockt einen der Nächste ab hier, ohne Wimpernzucken. Wenn man nicht aufpasst.
Ausserdem, meine ich, wäre etwas Pietät angebracht, denn exakt hier an dieser Stelle sind vor fast genau 20 Jahren (17.11.97) bei einem Attentat 62 Personen getötet worden, 36 davon waren SchweizerInnen. Diesen Fakt erwähne ich in unserer heftigen Diskussion nicht, es wird ihm, Mohammed, ohnehin egal sein, bzw. er wird es bei seinen (geschätzt) 30 Jahren wahrscheinlich gar nicht bewusst sein.
Hatschepsut war eine altägyptische Königin (Pharaonin) der 18. Dynastie. Nach ägyptischer Chronologie regierte sie etwa von 1479 bis 1458 v. Chr. Ihr Totentempel bei (und nicht in!) Luxor ist über 3’550 Jahre alt.