Archiv der Kategorie: Djitopia

Trip from Djibouti to Lake Tana

Khat

Djibouti – Addis Abeba

Green Deal im Zug – 500 Gramm Khat für 100 Birr (ca. 3US$) – reicht für 2 Tage. «You will not sleep this night!» sagt der Junge und ich kaue. Ich schaffe einen Zweig, dann graust es mich. Ich verspüre keine Wirkung: «Da kann ich ja Gras fressen», meine ich. «Du musst mehr kauen, sagt der Junge, die Wirkung tritt erst nach einer Weile, vielleicht in einer Stunde ein.» Also gegen Abend. Ich kaue trotzdem nicht mehr von dem Zeugs weil ein schöner Teil zwischen den Zähnen hängen bleibt. Der Junge kaut recht engagiert weiter, er vertilgt mit seinem Kumpel bis wir in Lebu aus dem Zug steigen das ganze Bündel. «Zugreifen, in Djibouti kostet es vier Mal mehr» meint er nur und grinst. Heute Abend wird Party gemacht in Addis Abeba: «In Djibouti kannst du keine Party machen, alles viel zu teuer.» Auch der Khat.

Und doch wird das grüne Kraut in Djibouti an jeder Ecke verkauft, vor allem in den ärmeren Quartieren und auch in der Slum City «Arhiba». Khat ist eine eher schwache Droge. Doch wenn man genug davon kaut so den Tag durch reichts für ein konstantes Beduseltsein. Nicht alle Konsumenten reagieren gleich: manche ziehts runter, manch puscht es hoch, manchmal gibts Halluzinationen obendrauf und manchmal dreht einer durch und kommt icht mehr zurück. Zum ersten Mal gekaut, schmeckt es wie Gras (das was die Kühe fressen, imfall, nicht das manche rauchen), in Aussehen und Grösse gleicht es der Sauerampfer, wächst aber am Stracuh und nicht am Boden. Man gewöhnt sich an den grauslichen Geschmack und schliesslich macht der Inhalt süchtig, so dass der Geschmack beim Kauen nicht mehr ins Gewicht fällt. Wie beim Rauchen oder Trinken: eigentlich eine grausliche Sache, aber es hat eine bestimmte Wirkung, die man nicht missen möchte und deshalb denkt man sich die Nebenwirkungen einfach weg. Und auch der Khat färbt die Zähne grauslich braun wie das Rauchen.

Zum Bild: Wie Motten ums Licht: Kaum ist die Khathändlerin in Dire Dawa zugestiegen, wird sie von (jungen) Männern umzingelt.

Khat

Ausserdem kann Khat kurzfristig Verstopfungen hervorrufen oder mittelfristig Impotenz bei gleichzeitigen unfreiwilligen Ejakulationen. Langfristig muss man mit Leberschäden rechnen und Verdoofung des Hirns. Aber Khat ist ein Geschäft in Äthiopien und Djibouti wie die Kaffee- oder Zuckerrohrproduktion. In Djibouti geht der Anbau zurück, wie der von Kaffee und Zuckerrohr auch, weil es eben einfacher und billiger ist, Lebensmittel aus dem Ausland zu importieren und damit Arbeitsplätze im Land abzubauen. Man kaut lieber billigen Khat aus Äthiopien, übrigens ist er hüben wie drüben legal, und schmeisst billigen Zucker aus Kuba in den Nescafé. Coca Cola und Orangansaft sind die einzigen Lebensmittel, die in Djibouti hergestellt, bzw. aus ausländischem Sirup und Konzentrat mit einheimischem Wasser verdünnt werden. Achja, die «flûtes» werden auch hier gebacken – aus französischem Weizenmehl. Aber die Stangenbrote essen nur die Ausländer und die Stadtziegen in den Armutsvierteln dann die Resten.

Camp Lemonnier

Wächter über den Golf

Im Nachgang der 9/11-Anschläge wurde George W. Bush, kaum im Amt, von der Idee beschlichen, dass alles terroristische Übel aus der Region am Horn von Afrika kommen muss. Seit November 2002 bauen darum die US-Streitkräfte im Rahmen des internationalen Programms «Operation Enduring Freedom – Horn of Africa» (OEF-HOA, seinerseits Teil des internationalen Programms «Operation Enduring Freedom», das u.a. Afghanistan die andauernde Freiheit bringen sollte) ihre «Combined Joint Task Force – Horn of Africa (CJTF-HOA)» im Camp Lemonnier in Djibouti sukzessive aus. Rund 4 000 Soldaten und Soldatinnen leisten auf der ehemals französischen (nach General Emile-René Lemonnier benannten) und nun grössten amerikanischen Militärbasis auf dem afrikanischen Kontinent Dienst. Aufgabe der CJTF-HOA ist es, Sicherheit und Stabilität in der Region herzustellen, wozu auch die Bekämpfung von terroristischen Aktivitäten und der Waffenschmuggel zählt. Durch die Resolution 1368 (die die OEF erst ermöglicht hatte) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 12. September 2001 legitimiert, mischeln die USA nun in den Kriegen, Bürgerkriegen und sonstigen Unruhen der Region (Sudan, Somalia, Djibouti, Äthiopien, Eritrea, Seychellen und Kenya) mit, doch auch Mauritius, die Komoren, Liberia, Ruanda, Uganda und Tansania zählen zu den Eventualeinsatzgebieten. Dazu muss das Personal der CJTF-HOA oft nicht einmal das Camp verlassen. Mit raketenbestückten Predator-Drohnen über dem Jemen schickt man schon mal den ein oder anderen Al Kaida-Chef ins Jenseits.

Aus: «Mediterranea», grippedbäg, 2015

Was ich da vor fünf Jahren geschrieben habe, als ich mit dem Containerschiff «CMA CGM Hydra» durch den Golf von Aden an Djibouti vorbeituckerte, stimmt immer noch. Nur hat sich für die Amerikaner die «Bedrohungslage» leicht nach Nah-Ost verschoben. Doch auch dieser Teil der Erde ist von Djibouti aus leicht überwachbar, bzw. fernsteuerbar, wenn es darum geht, Militärchefs anderer Nationen auszulöschen. Lies dies: https://www.defenceweb.co.za/…/us-continues-to-expand-djib…/

Mittlerweile sind aber auch die Chinesen in Djibouti und bauen einen militärischen Stützpunkt auf. Ihnen geht es weniger um das militärisches Eingreifen, das auch wenn nötig, als eher um den Schutz ihrer Handelswege, die «Neue Seidenstrasse».

Camp Lemonnier

Djibouti Ville

Dschibouti, Djibuti, Djibouti – fast keine/r weiss wie mans richtig nennt, und ebenso fast niemand weiss, wer, was oder wo das ist. Als ich mich in den letzten Wochen mit Plänen für Äthiopien, Eritrea und eben Djibouti (die französische Schreibweise gefällt mir am besten) befasst habe, habe ich diese Pläne auch manchem/r aus meiner Umgebung mitgeteilt. Dischibuti was? Dschibuti wie? Klingt gut, Djibouti, sagten sie, aber hä?

Wäre Djibouti ein Neckermann-Hotspot oder was für Hipster oder Digital Nomads, gäbe es diese Fragen nicht. Aber dann wäre ich auch nicht hier. Seit Dienstag bin ich in Djibouti, genauer Djibouti-Ville. Die Stadt heisst wie das Land. Handkehrum ist Djibouti nicht viel mehr als Djibouti-Ville, knapp eine halbe Million der 875’000 DjiboutierInnen lebt in der Hauptstadt dieses ziemlich kleinen Landes am Horn von Afrika. Horn von Afrika? Noch eine Wissenslücke? Das Horn von Afrika ist Somalia. Das mittelaterlichste Land von Afrika ist Eritrea am Roten Meer. Djibouti liegt exakt dazwischen und ist weder eine Autokratie noch ein Bürgerkriegsland. Djibouti ist frei und unabhängig seit 1977. Das kleine Land ist etwa so gross wie die Insel Sardinien, nämlich 23’200 km2.

Djibouti ist kein touristisches Traumziel. Obwohl es das ganze Jahr min. 30° ist und die Sonne immer scheint. Obwohl es ein islamistisches Land ist und es trotzdem Alkohol gibt. Obwohl es etliche Kilometer Sandstrände hat und davor etliche Tauchgründe, die sich zu beschnorcheln lohnen würden. Wahrscheinlich ist aber Djibouti einfach viel zu dreckig, vielleicht hat es ganz einfach keine Hotels um Urlaub zu machen, vielleicht ist es im Sommer tatsächlich viel zu heiss (40–45°), vielleicht ist es einfach noch keinem Touristikmanager eingefallen, Djibouti touristisch zu erschliessen. Aber vielleicht wollen die DjiboutierInnen keine Touristen, es gibt ja schon genügend Flüchtlinge. «Es hat mehr Flüchtlinge als DjiboutierInnen», sagte heute mein Taxifahrer und knöpfte mit 1’500 Djibouti-Francs ab für eine Fahrt von 15 Minuten (8 CHF). Das könnte ein weiterer Grund sein, warum keine/r nach Djibouti reist: es ist sauteuer. Warum das so ist, ist mir ein Rätsel. Das Land hat nichts, was es verkaufen könnte, kein Öl, keine Bodenschätze, keinen Tourismus, keine Finanzwirtschaft, einfach nichts, was Geld bringt, und trotzdem ist das Preisniveau so hoch. Djibouti hat nur furztrockenen Boden, auf dem nichts wächst. Den verpachtet Djibouti offensichtlich aber so gewinnbringend an ausländisches Militär, dass es das BSP des Landes in die Nähe der Schweiz hebt.

«Emmentaler» zu 11.50 CHF/kg im Supermarché für Expats in Djibouti Ville

Käse in Supermarkt Djibouti
djibouti

Djibouti

djibouti

Bis vor 25 Jahren lebten hier noch Nomaden. Die Franzosen haben dafür gesorgt, dass aus den «Rumtreibern» Sesshafte wurden. Mitte des 20. Jahrhunderts lebten in dem kleinen Land (das ja erst durch die Franzosen als Kolonialherren zu einem Land mit Grenzen wurde) um die 60’000 Menschen. Danach ging es explosionsartig voran, heute sind es fast eine Million. Das hat mit der Urbanisierung (Landflucht) zu tun und nicht nur mit der Fortpflanzungsfreudigkeit der Menschen am Horn von Afrika. Djibouti liegt strategisch günstig und bietet Boden für rege Handelstätigkeit. Der Hafen von Djibouti-Ville und die militärischen Stützpunkte der Amerikaner, Franzosen, Italiener, Japaner und nun auch der Chinesen bieten Arbeitsplätze. Aber nicht alle, die in die Hauptstadt zogen, fanden hier einen Job. Offiziell ist die Arbeitslosenrate bei 60 Prozent. Die Automatisierung des Hafens sorgt nicht eben für neue, im Gegenteil. Und doch stiegen in den letzten 25 Jahren in Djibouti-Stadt die Einkommen, die Preise und die Lebensqualität, derweil das Drittel der Bevölkerung, das noch auf dem Land lebt, von dem nicht allzuviel mitbekommt.

Und nun sind auch die Chinesen da. Still und leise, bzw. von Europa und dem Rest der Welt nicht wirklich registriert, installieren sie sich, investieren sie und reissen sich Hektare um Hektare wichtigen Baugrund unter den Nagel. Djibouti soll zu einer wichtigen Drehscheibe auf der neuen Seidenstrasse, «One Road, one Belt», werden, bzw. ist es schon längst. Durch den Golf von Aden vor Djibouti fährt ein Drittel des globalen Handelsschiffsverkehrs. Ein Teil davon läuft den Hafen von Djibouti an und wird hier umverteilt oder auf die Züge und Lastwagen nach Äthiopien verladen, wo mehr als 100 Mio Menschen versorgt werden wollen. Kein anderer Hafen an der Küste des Roten Meers kann diese Aufgabe erfüllen. Das kleine Djibouti ist das Tor nach Nordostafrika.

Handelströme brauchen sichere Wege und Umschlageplätze- und das bietet Djibouti. Die Regierung begrüsst und fördert den Handels- und Militärverkehr und hält die Hand hin. Von den Lizenzen und Pachtzinsen aus dem Hafen und der Militärstützpunkte finanziert sie ihren Staatshaushalt (und vermultlich auch sich selbst). Das macht das kleine Land zum teuren Hotspot. Für die Gutverdiendenden kein Problem, für die Militärs (ca 5% der Bevölkerung) auch nicht. Für die Chinesen, die grad einen neuen Hafen bauen, die neue Bahnlinie nach Addis Abeba gebaut haben und wohl noch so einiges bauen werden (Entsalzungsanlagen, Energieversorgung, vielleicht, hoffentlich, auch mal eine Kehrichtverbrennungsanlage), auch nicht, sie leben schmal und essen sowiso nur Lebensmittel das sie aus ihrer Heimat heranschaffen.