Archiv des Autors: admin

Wüsten - PET

Wadi Halfa

Es gibt einiges zu tun im neuen Land – Hotelsuche, Registration bei der Polizei, SIM-Karte auftreiben, Kamelfleisch testen, Bus reservieren und duschen mit kaltem Wasser – Bloss weg aus Wadi Halfa!

WADI HALFA – Wahrscheinlich bin ich gerade der, der den ganzen Minibus vom Hafen ins Städtchen finanziert. 50 Pfund habe ich dem Chauffeur gegeben, bei allen meinen Mitfahrenden sehe ich kein Geld die Hände wechseln. Und es sind viele Mitfahrende, der Bus wird gerammelt voll und der Gepäckträger auf dem Dach bricht schier zusammen unter seiner Last. Der Bus, ja eigentlich ist es ja ein Minibus (Toyota Hiace) bringt uns nach Wadi Halfa. das nördlichst gelegene Städtchen im Sudan, idyllisch am oberen, also südlichen Ende des Nassersee gelegen. Die verbleibende Zeit an diesem Montagnachmittag verbringe ich mit Unabdingbarem: Ein Hotel finden, den Polizeiposten aufsuchen zwecks Registrierung (man muss sich als Tourist innert drei Tagen im Land registrieren lassen, auch wenn man nur zwei Tage bleibt), eine Daten-SIM-Karte kaufen (es gibt hier nicht mehr an jeder Ecke WiFi), ein Busticket erstehen. Tatsächlich erweist es sich, dass man für diese vier Obliegenheiten einen ganzen Nachmittag braucht.

Dann gibt es Znacht. Ich sitze bei einem frischgepressten Orangensaft auf der Terrasse einer Saftdiele und treffe zufällig Nicolas, der in einem anderen, günstigeren Hotel (Absteige) eingecheckt und die selben Pflichten erledigt hat müssen (ausser der SIM-Karte, er legt nicht allzu viel Wert auf permanente Verbundenheit). Ich schlage vor, zum Dinner das Restaurant gleich nebenan aufzusuchen. Am Vordach über der Terrasse hängt ein halbes Tier, der Haut entledigt, ein Kamel, wie man uns bescheidet. Gleich daneben in einem Karbäuschen steht einer, nennen wir ihn Metzger, der schneidet ein Stück Fleisch aus dem Kamel und präsentiert es mir. Von der Grösse her meine ich, dass es meinen Hunger decken wird. Der Metzger wiegt das gute Stück, schnetzelt es in Stücke und wirft es auf einen Grill. Wir setzen uns an ein Tischchen, Nicolas scheint der Hunger anbetrachts des hängenden Kamelhinterteils vergangen zu sein, bestellen Limonade und warten. Warten nur fünf Minuten, schon habe ich das gegrillte Kamel vor mir. Es ist zäh wie Leder. Während ich intensiv kaue, fällt mir ein Teil einer Zahnfüllung rechts oben raus. Nicht unschmerzhaft, nicht das Rausfallen, sondern das Daraufbeissen, denn Zahnfüllungen fallen in der Regel nicht unbemerkt heraus sondern immer zwischen zwei Stockzähne während des Kauens.

Die Abfahrt aus Wadi Halfa naht. Eine kurze Nacht nach nur 18-stündigem Aufenthalt, um vier geht der Bus, ich stehe um halb Vier auf und dusche mangels warmem Wasser kalt. Blanker Horror, dafür hellwach. Zum Busbahnhof sind es zu Fuss fünf Minuten. Ich bin nicht allein, ein reges Chaos herrscht bereits, ich kaufe mir eine Tassen heissen Tee, setze mich in meinen Bus und warte. Der Bus fährt um Punkt vier Uhr los. Beim Checkpoint an der Stadtgrenze werden Führerschein des Fahrers und der Fahrtenschreiber im Bus kontrolliert. Dann drei Stunden Fahrt durch die Dunkelheit. Als die Sonne aufgeht, hält der Bus mitten in der Wüste, Menschen eilen raus und beten im Sand. Ich löse Wasser. Zwei Stunden später die Gelegenheit zum Frühstück in einer Raststätte. Die Menschen essen Heissgekochtes (Bohnen und Undefinierbares) mit den Fingern, ich habe keinen Appetitt auf Festes lasse mir einen wunderbaren Kaffee mit Kardamongeschmack geben. Wieder lösen Männer Wasser hinter der Raststätte, die Frauen verschwinden in halbzerfallenen Hütten. Die Umgebung ist mit leeren, flachgedrückten PET-Flaschen aller Art versaut, in den wenigen mageren Büschen hängen weisse Kunststoffeinkaufstüten. Und rundherum nur Sand und die pfeilgerade Aspahltpiste mittendurch. Echt krass skurril das Ganze.

Beim nächsten Halt gegen Mittag werden zwei Jungen in den Bus gelassen. Sie verkaufen Datteln und Orangen. Die Musik aus der Mediathek meines iPhones beginnt sich zu wiederholen. Noch vier Stunden bis Khartoum. Links Sand, rechts Sand, manchmal eine Skelett eines vor Hitze oder Last oder beidem zusammengebrochenen Esels. Manchmal Schafhirten mit einer Handvoll abgemagerter Schafe (oder Ziegen, wer weiss das schon). Immer wieder Mobilfungantennen. Wunderbar. So weiss ich immer wo wir sind. Vor und nach grösseren Orten Checkpoints der Polizei. Sie interessiert sich vorab für den Fahrer und das Fahrzeug, nicht für uns Passagiere. Es steigen die ganzen zehn Stunden keine ebensolche zu oder aus. Direktkurs Wadi Halfa to Khartoum. Und wo ist eigentlich der Nil? Er schlängelt sich in grossen Bewegungen durch die Wüste, die Strasse führt pfeifengerade nach Süden. Den Fluss sehe ich erst in der Hauptstadt wieder, grösser und mächtiger als in Luxor oder Kairo. Ein schöner Teil seines Wassers wird ihm in Ägypten und im Norden des Sudans zur Bewässerung der Äcker an seinen Ufern genommen. In Alexandria, dem Ausgangspunkt meiner Reise, kommt längst nicht mehr soviel an, wie sich hier in Khartoum, wo sich weisser und blauer Nil vereinen, hindurch drängen.

Wüsten - PET

Hinter mir der PET-Abfall – Hinterlassenschaften der Durchreisenden

Nasser Lake Cruiser

Auf dem Nassersee

Sonnenuntergang auf dem Nassersee – Die Männertoilette auf der «Sinai» ist ein rostiges Loch – Die der Frauen vermutlich auch – Dafür sind die Teller beim Dinner unzerstörbar

NASSERSEE – Irgendwann im Nachmittag legt die «Sinai» ab. Nun sind wir also unter uns. Keine lästigen Dienstanbieter mehr, die Passagiere suchen sich ein Plätzchen auf dem Oberdeck um sich die Sache von erhöhter Warte anzusehen. Einige und ich suchen das Schiff ab, zum Beispiel nach etwas Trinkbarem, zum Beispiel Bier. Doch Alk o.ä. gibt es hier nicht, nur süsse Limonaden und Wasser. Erste Passagiere beginnen bereits mit dem Abendessen, auch der freundliche Herr von vorhin, der mich schnell in ein Gespräch vermittelt. Und wenn ich Hilfe bräuchte in Wadi Halfa, an unserem Zielort, solle ich einfach nach ihm, «the egypt» fragen. Er sei dort wohlbekannt, fahre jeden Monat einmal hin, Händler sei er, Schmuck, Textilien, so Sachen halt.

Die Sinai verkehrt auf dem Nassersee («Buḥairat Nāṣir») als Linienschiff und fährt einmal pro Woche den ganzen See rauf. Assuan High Dam – Wadi Halfa und zurück, rund 500 Kilometer sind das. Sie braucht dazu rund 20 Stunden, d.h. eine Übernachtung ist dabei, deshalb die Kabinen. Zwei Mahlzeiten sind auch dabei, Breakfast und Dinner, wobei eine im Ticketpreis inbegriffen ist. Ich wähle Dinner und bekomme eine Metallschale mit allerlei Essbarem drauf plus einen Löffel aus Plastik (für die Sauce, Einheimische essen alles mit den Fingern). Beim Essen lerne ich Nicolas aus Kanada kennen, der eigentlich Franzose ist. Ein etwas zappeliger junger Typ, Zirkusschule-Dozent in Montreal, ja sowas gibt es, stets mit Kamera um den Hals und Wertsachentasche unter der Schulter. «Cool» sagt er zu fast allem, er spricht besser französisch als Englisch, ich umgekehrt, aber wir verstehen uns.

Sinai Vessel Sinai Crew Sinai Dinner Sinai Shithouse

Die Sinai im Hafen von Assuan High Dam, Blick auf die Brücke, Dinner in der Messe, Männertoilette

Lake Nasser Shore Nasser Lake Cruiser Nassersee Sundown Wadi Halfa Peer

Blick ans Ufer, kreuzendes Kreuzfahrtschiff backbord, Sonnenuntergang am Sonntagabend, Hafen von Wadi Halfa, Sudan

Später am Abend werden die Ausländer in ein Büro gebeten. Die sudanesische Passkontrolle. Der übliche Schreibkram, kein Computer weit und breit, tägg, Stempel aufs Visum, schliesslich sind wir drin im Sudan, obwohl wir noch in Ägypten sind. Dann Blicke und Fotos vom Oberdeck. Rund um den See nur Wüste. Kein Baum, kein Grashalm, kein Mensch, nur Fels und Sand. In der Abenddämmerung ein Kreuzfahrtschiff backbord, halb oder ganz leer, auch hier ist der Touristenstrom zusammengebrochen, unten am Damm hängen vier, fünf, solcher Cruiser an den Seilen am Pier. Kleiner Besuch auf der Brücke, Nicolas fotografiert wie wild, sagt: «cool!», versucht mit der Crew ins Gespräch zu kommen, geht schlecht, es mangelt an Englischkenntnissen. Später in der Nacht steige ich nochmals aufs Oberdeck, es ist stockdunkel weil Leermond, See und Wüste sind kaum voneinander zu unterscheiden.

Auch auf der Brücke ist es schwarz wie in einem Kuhmagen, ein paar Lämpchen und Leuchtdioden blinzeln grün und orange. In einem kleinen Holzkästschen schimmert schummrig und unscharf ein grünes Radarbild. Ob er sich tatsächlich nach diesem Bild orientiere, frage ich den Mann, der gerade Dienst hat. Das beachte er nicht wirklich, meint er: «I watch to the stars!» Dann erklärt er mir den Himmel vor uns und deutet auf einen besonderen Stern, nach dem er sich richte. Ich verstehe natürlich rein gar nichts von Astronomie, weiss nur, dass es eine hohe Kunst sein muss, in dieser Schwärze das Schiff in der Mitte des Sees zu halten und nicht auf einen Felsen am ausgefransten Ufer aufzufahren. Ob wir Abu Simbel sehen werden, frage ich den Steuermann. Ja, am frühen Morgen, meint er. Ich nehme mir vor, am frühen Morgen auf Deck zu ein. Doch der frühe Morgen schleicht an mir vorbei ebenso wie Abu Simbel. Ich schlafe überraschend gut in meinem Rattenloch und verpasse darum das Highlight des Tages.

Auf dem hohen Damm 2

Auf dem hohen Damm wartet ein Schiff namens Sinai – Ich lasse mir meine Koffer tragen und zuviel Geld aufschwatzen – Die letzte Schritte in Ägypten sind ein Spiessrutenlaufen

ASSUAN HIGH DAM – Drei Stunden braucht der Zug von Luxor nach Assuan, der südlichsten Stadt von Ägypten. Von der Stadt sehe ich nichts, da ich ziemlich schnell in ein Taxi steige. Die Fahrer sind dermassen aufdringlich, dass sie einen schon fast aus dem Zug herausholen. Schnell muss es gehen, weil das Schiff in den Sudan um 12 Uhr mittags fährt, jedenfalls offiziell, und der Zug, sehr pünktlich übrigens, um 11h15 ankommt. «High Dam, how much?» frage ich den Taxifahrer, der mein Gepäck behende ins Auto packt. «300 Pounds!» meint er, worauf ich meine: «200!», worauf er dann meint: «Ok, 250!» und ich: «Ok, 250!» erwidere. 13 Franken für 17 Kilometer, ich meine, das ist fair.

Der «High Dam» ist der höhere der beiden Nildämme in Assuan. Der niedrigere liegt näher bei Assuan und ist bereits mehr als 100 Jahre alt. Wenn man vom Assuan-Staudamm spricht, meint man den grossen Damm, eben den High Dam. Den, den die Russen gebaut haben, der der 1970 in Betrieb ging. Oben auf dem Damm angekommen (linke Seite), bleibt mir wieder nicht viel Zeit, die Sache zu betrachten. Schon stürmt eine Horde Hilfswilliger auf mich zu, sie reissen mir mein Gepäck aus den Händen, zeigen und fuchteln mit den Händen auf den Ticketschalter. Wie das so ist in Ägypten, muss man in solchen Situationen vieles gleichzeitig tun: Sich seinen Weg durch die Leute bahnen, dabei alle sieben Sachen beieinander behalten, hilfswillige Schlepper und Nepper erst mal abweisen, sein Ziel erkennen und ansteuern und klaren Kopf bewahren. Und möglichst nicht so tun, als hätte man keine Ahnung.

Die Tickets für das Schiff werden in einem Container verkauft. Ich werde hineingebeten, nehme Platz auf einem Stuhl, einer schreibt Daten aus meinem Pass, ein anderer schreibt ein Ticket aus. Gleichzeitig redet ein Geldwechsler, älterer Herr im Kaftan und Turban, auf mich ein, bietet mir US-Dollars an. Ob ich ein Sudan-Visum habe, will der Passkontrolleur wissen, 100 $ reichen bei weitem nicht, meint der Geldhändler, 425 Pfund (ägyptische) kostet das Ticket (erste Klasse), man müsse alle Hotels in Cash bezahlen, meint der Wechsler, ich kaufe 3’800 Pfund (sudanesische) für 200 US$, ich habe nun vier Währungen in meinen Hosentaschen, wobei das Bündel der 50- und 2- Sudan-Pfund-Scheine ziemlich aufträgt in meiner linken Gesässtasche, und drei Währungsumrechnungskurse im Kopf, werde darum beinahe kurzfristig wahnsinnig und muss auch noch den Alten, der meinen Koffer umklammert hält, und den Jungen, der ihn assistiert und unbedingt meine Kameratasche tragen will, im Auge behalten. Ich erhalte meinen Pass zurück und ausserdem ein Ticket sowie einen Kabinenreservationsschein und einen Verpflegungsbon, wobei ich sämtliche Angaben auf ebendiesen nicht lesen kann, da arabisch (es wird mir dann aber später auf dem Schiff von einem liebenswürdigen Herrn, der kein Geld dafür will, erklärt).

So kommt es, dass ich von diesem Hohen Damm auch nichts zu sehen bekomme, ausser der Rampe, die zum Fährhafen hinunter führt. Um auf die Rampe zu kommen, muss ich erst durch das Hafentor, wo einer Pass und Ticket kontrolliert. Gleich dahinter steht noch ein Container, wo man wiederum das Ticket anschaut und ich 50 Pfund (ägyptische) abdrücken muss, weiss der Teufel für was. Dafür erhalte ich einen Stempel auf das Ticket gedrückt, und weiter geht der Spiessrutenlauf zum Schiff. Mein Träger, der meinen Koffer trägt, und mein Schlepper, der offensichtlich total bekifft ist (ob Kat oder Shit ist nicht zu erkennen) und nichts tut ausser dass er auf mich einredet, das Übliche halt, woher, wohin, zum ersten Mal in Ägypten, usw., begleiten mich zum nächsten Gebäude, wo mein Gepäck auseinandergenommen wird und ich auf wasweissich untersucht und gescannt werde. Gleich danach verkaufen zwei Knaben Ausreisekarten für 1 Pfund (immer noch ägyptische), was eigentlich absurd ist, denn solche Karten kosten kosten üblicherweise nichts, aber ich sehe grad keine Möglichkeit, anders an die Karte heranzukommen. Also, schnappt euch das Pfund und habt Gefallen daran.

Sofort fülle ich die Karte aus denn es folgt die Passkontrolle. Wenn ich nun denke, dass meine beiden Sekundanten hier nicht weiter dürfen, irre ich mich. Die Beiden schleppen mich weiter zur Gangway, wo wiederum Pass und Ticket kontrolliert werden. Ich bin nun also auf dem Schiff. «Sinai» heisst es. 12h30, von mir aus könnte es nun ablegen (es tut es rund 2 1/2 Stunden später). Meine Schlepper wissen genau wo meine Kabine ist, eine Zweierkabine, ein Rattenloch, hoffentlich kommt keine Zweiter, gleich am Anfang des Korridors, wird wohl eine unruhige Nacht. Plätzlich stehe ich mit diesem beiden Herren, dem Alten, eher sprachlosen (weil des Englischen nicht mächtig), und dem Jungen, dem bekifften, der eher zuviel spricht, und die Türe ist zu. Hohle Hände vor mir. Ich gebe alle meine kleinen Pfundscheine her (18 Pfund/1 Fr.) und meine, das reicht. Zuwenig, sagt der plötzlich sehr eifrige Bekiffte, ich lege noch eine 1$-Note dazu und meine: «That must be enough, this is two Dollars, one for each, share it and now go!» Natürlich will der Junge noch nicht gehen, dabei ist er der, der fast gar nicht beigtragen zu diesem Check-In-Vorgang ausser viel Gelaber, und der Alte sagt immer noch nichts. Ich schmeisse beide aus meiner Kabine.

Bündelweise Geld – drei Währungen im Hosensack

Auf dem hohen Damm 1

Vorkehrungen zur Einreise in den Sudan – Wie ich das Visum beinahe geschenkt bekommen und dabei meinen persönlichen Bankberater kennengelernt hab

LUXOR – Nun wird’s also Ernst, es beginnt der Teil meiner Reise, bei dem ich nicht so genau weiss, was auf mich zukommt. Aber das macht doch eine Reise zu einem Abenteuer, das macht’s doch erst interessant, macht’s doch erst geil! Ha! Nun gerade geil wird’s im Sudan nicht, aber überraschend, unterhaltsam, bisweilen absurd. Und warm wird’s auch, angenehm warm, nicht allzu heiss, wie man sich den Sudan üblicherweise vorstellt, sondern gerade richtig temperiert. Es ist ja auch hier immer noch Anfang Januar, somit Winter, jedenfalls sagen die Leute hier  es sei Winter. Für mich beginnt der Sommer.

Die Einreise in den Staat Sudan beginnt aber schon mit der Einreichung des Visumantrags. Das kann man auch bei diesem angeblich mausarmen Staat im 21. Jh. online machen. Erst muss man aber 100 Franken auf ein Konto der sudanesischen Botschaft in Genf einzahlen, weil man den Beleg für die Überweisung dem Visumantrag anhängen (pdf) muss. Auch anhängen muss man, sollte man, eine Bestätigung des Sponsors (gemeint ist eigentlich eine Person, Firma oder Institution, die den Antragsteller einlädt; es reicht aber auch der Buchungsbeleg für die erste Nacht in einem Hotel oder die Kopie des Rück- oder Weiterflugtickets) und ein Bankkontoauszug. Natürlich hänge ich einen Auszug meines hundsmiserabel dotierten Bankkontos nicht an sondern ein zweites Mal das pdf der Überweisung. Ein Hotel habe ich noch nicht gebucht, also hänge ich das pdf des Tickets für meinen Weiterflug von Khartum nach Muskat, den ich bereits gebucht habe, an. Gleichzeitig mit der Online-Visa-Application muss man den Pass nach Genf schicken, inkl. ausgedruckte Kpoie der Bestätigung des Visumantrags.

Schon nach vier Tagen (!) erhalte ich Pass mit Visum zurück. Am selben Tag erhalte ich auch einen Brief meiner Bank. Man hätte die Überweisung von 100 CHF an die sudanesische Botschaft vorläufig gesperrt, steht da. Gemäss internationalen Abkommen seien wirtschaftliche Vorgänge mit dem Sudan verboten. Ich solle mich doch mit meinem persönlichen Berater bei der Bank in Verbindung setzen. Tja, wer ist enad mein persönlicher Berater bei meiner Bank? Seit Jahren verkehre ich mit dieser Bank ausschliesslich digital und ich habe noch nie auch nur eine Person, die da mit irgendwelchen Aufgaben mein Konto betreffend, beschäftigt ist, getroffen/gesehen/gesprochen. Ich rufe also die allgemein 0848xxxxx-Nummer an und warteschlaufe mich durch.

Wie gesagt, der Sudan werde von der halben Welt mit Wirtschaftsleistungen boykottiert (was die Amerikaner durchgesetzt haben, imfall), erklärt mir mein «persönlicher Bankberater». der Handel von Waren und somit Überweisungen von Geld seien untersagt, sagt der Mann, man befolge da als Bank nur die Internenen Vorschriften und die bestehende Gesetzeslage. Da er aber erkenne, dass die 100 Stutz ganz offensichtlich für die Kosten eines Visums vorgesehen seien, könne er unter Umständen die Überweisung freigeben. Diese Umstände seien die folgenden: Wenn ich privat in den Sudan reise, sei dies keine embargopolitisch verbotene Aktion, hingegen wenn ich zwecks Geschäften einreisen wolle, dann könne er nicht zustimmen.

Visa Sudan

Zwei Seiten braucht der Sudan in meinem Pass; unten Visum mit Einreisestempel, oben Registrierungsmarke und Ausreisestempel

Ich erkläre dem Mann (persönlicher Berater) meine Situation: Eigentlich reise ich geschäftlich, da ich eine Recherche unternehme, aus der dann Artikel für Printmedien und ein Buch entstehen. Anderseits sei ich eigentlich nur ein harm- und ahnungsloser Tourist, der das Land sehen will (eigentlich muss, weil es von Assuan nur den selben Weg zurück gibt oder eben die Flucht nach vorne durch den Sudan, aber das sage ich dem persönlichen Berater nicht, weil es sonst zu kompliziert wird). Der persönliche Berater sagt, er werde sich für die Sache einsetzen und wir beenden das Gespräch. Am folgenden Montag sehe ich online, dass die Bank die 100 CHF freigegeben hat.

Ihr aufmerksamen Lesenden habt nun bestimmt bemerkt, dass hier etwas chronologisch nicht stimmen kann. Da habt Ihr recht, denn: Ich habe den Pass mit dem Visum schon erhalten, bevor die Gebühr für den Antrag bei der Botschaft eingegangen ist. Ich hätte mir eigentlich die 100 Franken sparen können, oder?

 

Balloons Luxor

Gas und heisse Luft

Heissluftballon sürzt ab – Kuweit kauft Gas und Ägypten will einen Satelliten ins All schiessen – Manchmal kann man gar nicht richtig glauben, was in der Zeitung steht

LUXOR – Man, also ich, will ja auch auf Reisen gerne erfahren, was so läuft in der Welt. Das kann man tun, indem man sich die News im TV anschaut, von denen man aber das meiste nicht versteht, weil sie hier in Ägypten in Arabisch gesprochen sind. Natürlich gibt es per Satellit auch den einen und anderen News-Sender aus Übersee, alle in Englisch, einer in Französisch, keine auf Deutsch. Aber das Auftanken von News per TV hat den Nachteil, dass man im Hotelzimmer bleiben muss, und das ist jetzt nicht grad das, was mich begeistert.

Also beschaffe ich mir eine Zeitung und setze mich zum Frühstück auf die Hotelterrasse, die, nebenbei bemerkt, eine phänomenale Sicht auf den Nil und die Westbank gewährt. Der «Middle East Observer» liegt gratis am Desk auf. Darin stehen ziemlich verrückte Dinge wie, dass Ägypten mit der JAXA (Japanese Aerospace Exploration Agency) einen Vertrag zwecks Verschuss eines Satelliten ins All im Juni dieses Jahres geschlossen hat. 70-80 Prozent der Komponenten des Satelliten sollen aus ägyptischer Produktion kommen. Unglaublich, anbetrachts der Tatsache, dass in diesem Land noch 40-jährige Peugeot’s 405 verkehren und Ochsen- und Eselkarren zur Zuckerrohrernte eingesetzt werden.

Die zweite Meldung ist ebenso erstaunlich. Demnach wird das Scheichtum Kuweit von der holländischen Shell Plc. in den nächsten 15 Jahren 2 bis 3 Millionen Qubiktonnen Flüssiggass kaufen. Und zwar um Kuweit’s steigenden Bedarf an elektrischer Energie für Klimageräte im heissen Sommer zu decken. Ein Golfstaat muss Gas kaufen? Die Erklärung folgt auf den Fuss: Kuweit kauft dieses Flüssiggas (LNG = Liquid Natural Gas) um den Verbrauch von Erdöl zur Erzeugung von Strom zu senken. Eigenes Öl verkaufen, fremdes Gas kaufen. Dazwischen scheint ein gehöriger Profit zu sein.

Die dritte Meldung kommt per Internet. Im Tal der Könige – also grad vis à vis meines Hotels – ist gestern ein Heissluftballon mit 20 Touristen abgestürzt. 12 Menschen wurden verletzt, eine südafrikanische Touristin starb. In der Tat ging gestern ein starker Wind (womit gestern die Einnahme des Frühstücks auf der Terrasse unmöglich war), doch die verantwortlichen Behörden meinten, dass das Fahren mit den Ballonen trotzdem möglich sei. Dazu muss man wissen, dass jeden Morgen zurzeit rund ein Dutzend Ballone von der Westbank in den Himmel steigen, damit die Touris sich das Tal der Könige und seine wirklich schöne Umgebung mit Nil und Wüste undso, aus der Vogelperspektive betrachten können (in besseren Zeiten seien es das Doppelte gewesen, sagt man mir). Die Flüge werden für zwei Tage ausgesetzt. Am Sonntag, als ich mich zur Weiterreise nach Assuan aufraffe, fliegen sie wieder. Tschuldigung, fahren sie wieder.

Balloons Luxor

Dazu muss man früh aufstehen: Heissluftballone mit Touristen über der Westbank von Luxor. Links ein Ausläufer der Thebanischen Berge, wo sich u.a. das Tal der Könige und der Hatschepsut-Tempel befinden

 

Luxor Kutschenfahrt

Kutsche im Souk

Sightseeing à la faule Touristen – mit Kutsche im Souk von Luxor und niemand reklamiert – gelebte Toleranz!

LUXOR – Voll durchgeknallter Ritt mit Mohammed durch den Souk von Luxor. Dazu sage ich eigentlich nichts ausser dass auch das eine prägende Erfahrung sein kann 🙂

 

Nun gut, es würde der schönen Stadt Luxor mit all seinen Zeitzeugen nicht gerecht, hier nichts darüber zu sagen. Nach den Abenteuern mit Mohammed, den gebüssten Taxifahrer und dem jungen Kutscher Mohammed (heissen eigentlich alle ägyptischen Männer Mohammed?) lasse ich es mir im «Achti Resort» (nöd nüni, imfall) gutgehen. Ich nusche ein wenig in den Informationen, die das Internet über Luxor hergibt, herum.

Da wär› zum Beispiel der Obelisk vorne am Luxor-Tempel. Bitzli unscheinbar steht er da  mit seinen 23.5 Metern und 230 Tonnen in all den Bauwerken, den halb- und ganz zerfallenen der ziemlich weitläufigen Tempelanlage. Vor 3’300 Jahren wurde er hier auf Anordnung des  Pharao Ramses II aufgestellt und hat bis anfangs 1832 mit seinem Zwilling den Einganz des Tempels flankiert. Dann kam es dem gerade regierenden Muhammad Ali Pascha (schon wieder ein Mohammed) in den Sinn, sich beim Franzosen Jean-François Champollion, der den Stein von Rosetta erstmals entschlüsselt hatte, zu bedanken. Da der Schriftgelehrte nun aber ein wenig zu niedrigen Ranges war, schenkte Ali Pascha den Obelisken dem König von Frankreich, Louis Philippe. Dieser Obelisk steht nun seit 1836 auf dem Place de la Concorde in Paris. Champoillon erlebte die Ankunft des Steines in Paris nicht mehr, er starb zu dem Zeitpunkt, als der Obelisk in Luxor gerade verschifft wurde.

Totentempel Hatschepsut Luxor

Hatschepsut

Hatschepsut hätte Freude gehabt an mir – die Tempelwächter weniger – Wie man ein verbotenes Foto schiesst, andere die Busse bezahlen lässt und sich dann davonmacht

LUXOR – «Das ist die Westbank», meint mein Fahrer, «das ist ganz etwas anderes!» In Luxor unterscheidet man streng zwischen Ost- und Westufer, der «Eastbank» und der «Westbank». Luxor liegt auf der Eastbank, nichts von Luxor befindet sich auf dem westlichen Ufer, darauf legt Mohammed, mein Taxifahrer, Wert. Er wohnt am Ostufer, also in Luxor. Im Gegensatz zu Luxor, das eine Stadt (ca. 500’000 Einw.) ist, gibt es auf der Westbank nur ein paar kleinere Dörfer. Die meisten Einwohnenden dort sind Bauern, beschäftigt mit der Produktion von Zuckerrohr.

Die beiden Haupt-Hotspots von Luxor findet der Tourist auf der Westbank, also gar nicht in Luxor: Das Tal der Könige und der Totentempel von Hatschepsut. Da rennen sie alle hin, die Touris, die in den Hotels von Luxor für eine Nacht bleiben, das Hotspot-Besichtigungsprogramm innerhalb des einen Tages abspulen und dann wieder verschwinden. Zum Flughafen, nach Assuan und Abu Simbel, oder per Bus durch die Nacht den Nil runter nach Kairo. Zu Hatschepsut und den Königen fahren sie alle über die einzige Brücke in Luxor, die zudem noch etwa 4 Kilometer flussaufwärts steht (?) über den Nil, sie alle müssen hier durch, es gibt kein Hotels auf der Westbank und keine Alternative zu dieser Brücke. Von meinem Zimmer im «Achti Resort» kann ich den Berg, in den Hatschepsut’s Tempel gebaut wurde, von blossem Auge sehen, aber der Weg dahin misst 15km und deshalb braucht man ein Taxi.

Dass alle dann durch dies selbe Strasse fahren, ist gut für die Handwerker und Händler auf der Westbank, die hier Vasen und Skulpturen aus Alabaster und/oder Basalt verdealen und sonst noch Dinge, die man nicht unbedingt braucht, aber einen an den schönen Sightseeing-Urlaub am Nil erinnern. Auch ich werde vor so einem Bildhauerladen abgeladen, wo mir der Meister zeigt, wie fleissig sein Sklave (Mitarbeiter) an einem Alabastertopf kratzt, den er dann irgendwann, wenn er den fertig ist (der Topf, nicht der Sklave), an eine Chinesin verkauft. Überhaupt, die Chinesen seien seine Konkurrenz, exakt genau die gleichen Dinge stellen sie her, aber aus viel billigerem Material, Kunststoff, Beton oder Gips. Lieber habe er die Chinesen als Kunden, aber meistens verstehen sie ihn nicht, da Chinesen nicht Englisch sprechen, es sei denn der oder die GuidIn. Die dann alle Hände voll zu tun haben, ihrer Reisegruppe die Obersuperspezialangebote des wortgewandten Händler’s zu verklieckern.

Das Geschäft laufe schlecht zurzeit, meint er, früher wären viel mehr Leute gekommen, ich sei der erste Kunde heute (um 11 Uhr) und die Chinesen kaufen sehr zurückhaltend. An seinem Verkaufstalent jedenfalls kann es nicht liegen. Das beweist er mir und will mir das und dieses und beides zusammen für 125$ verkaufen, oder die kleine Figur für 80$, was natürlich masslos zuviel ist, meine ich. Und die Figur ohne linken Arm, das müsse so sein, früher habe man Dieben den Arm abgehackt, und das sei eben so einer, sagt der vife Händler. Wobei, meiner Meinung nach, der Arm abgebrochen ist, vielleicht von einer unvorsichtiige Chinesin vom Regal geschupft.

Die Zeiten sind schlecht in Luxor (in ganz Ägypten) und so müssen halt die, die noch kommen, gehörig abgezockt werden. Manchmal triffts aber auch die Eigenen. Als wir auf dem Parkplatz vor dem Hatschepsuttempel vorfahren, steige ich aus und mache gleich mal ein Foto vom Ganzen. Schon rennen zwei Parkwächter daher und stauchen meinen armen Mohammed zusammen. Ich habe keine Ahnung worum es geht, es wird mir aber bald klar, die Beiden weisen auf das Schild (das man jetzt wirklich nicht grad auf Anhieb sieht), worauf steht, dass das Fotografieren der Anlage, ohne dass man eine Ticket gekauft hat, verboten ist. Der wie gesagt arme Mohammed hat das nicht gewusst, und deshalb muss er wohl eine Busse bezahlen, denn der Eine der Beiden beginnt zu telefonieren.

Totentempel Hatschepsut Luxor

Hatschepsut’s Totentempel für 425 ägyptische Pfund

Ich fühle mich ziemlich unschuldig, meine aber dennoch, dass dies hier reine Abzockerei sei, und meine im weiteren zu Mohammed, dass wir gehen sollten, ohne Besuch des Tempels, also ohne ein Ticket zu kaufen, da dies ein ungastlichr Ort ist. Es vergeht keine Stunde, klingelt Mohammed’s Handy, sein Chef staucht ihn zusammen dass ich es noch auf dem Beifahrersitz höre. Die Polizei habe sich gemeldet, die Busse betrage 425 EGP, morgen Samstag zu bezahlen auf dem Polizeiposten. 23 Fr., horrend, würde ich meinen, das meint mein Mohammed natürlich auch und er will, dass ich das übernehme, zumindest mich beteilige. Ich meine, es wäre nicht meine Schuld, ich sei völlig nichtsahnend und von ihm müsse man erwarten, dass er über die Gepflogenheiten an seinem Arbeitsort Bescheid weiss. Natürlich tut er mir auch ein wenig leid, aber Mitleid ist nicht das was man zeigen sollte in Ägypten, denn schon 5 Minuten später zockt einen der Nächste ab hier, ohne Wimpernzucken. Wenn man nicht aufpasst.

Ausserdem, meine ich, wäre etwas Pietät angebracht, denn exakt hier an dieser Stelle sind vor fast genau 20 Jahren (17.11.97) bei einem Attentat 62 Personen getötet worden, 36 davon waren SchweizerInnen. Diesen Fakt erwähne ich in unserer heftigen Diskussion nicht, es wird ihm, Mohammed, ohnehin egal sein, bzw. er wird es bei seinen (geschätzt) 30 Jahren wahrscheinlich gar nicht bewusst sein.

Hatschepsut war eine altägyptische Königin (Pharaonin) der 18. Dynastie. Nach ägyptischer Chronologie regierte sie etwa von 1479 bis 1458 v. Chr. Ihr Totentempel bei (und nicht in!) Luxor ist über 3’550 Jahre alt.

 

Dorudon atrox

Im Tal der Wale, Teil 3

Wie die Wale nach Ägypten kamen und nicht wieder gehen konnten – wie aus Skiliftspuren ein Waschbrett wird – die Wüste lebt nicht mehr oder doch?

Wadi al-Hitan – Die letzten 30 Kilometer ist die Strasse keine, sondern eine Kies-/Sand-Piste. Und auch der Begriff «Piste» ist eigentlich nicht der richtige, besser wäre: quergestelltes Wellblech (Waschbrett). Wie wenn man mit einem Velo über ein  solches führe fühlt es sich an. Bei jeder Durchfahrt werden die Wellen noch etwas welliger, was den nächsten Drüberfahrer noch mehr schüttelt. Man kennt das Phänomen vom Skilift: Erst zieht die Maschine eine wunderschöne Spur in den Schnee, dann entstehen aus unerfindlichen Gründen kleine Wellen. Immer wenn zwei Skis (oder ein Snowboard) über eine Welle gleiten, bildet sich dahinter ein kleines Wellental, das durch die Schwere des Gleitenden immer tiefer wird. Der weggedrückte Schnee wird zu nächsten Welle undsoweiter. Genaus geht das bei Wüstenstrassen: es entsteht mit der Zeit ein Waschbrett.

Langsam darüber zu fahren bringt’s nicht und ausserdem kommt man so nie an. Die Lösung wäre, mit richtig Tempo darüber zu donnern. Das wiederum tut dem Auto nicht gut. «Viele Leute machen das, aber sie glauben es einfach nicht, irgendwann ist das Auto nämlich kaputt und sie fragen sich warum.» Sagt Raffad, mein Fahrer mit seinem 24-jährigen und 449’889 Kilometern gefahrenen Toyota Landcruiser. Also fährt Raffad neben der Piste. Viele machen das, man sieht es an den Radspuren. Das ist nur ein wenig komfortabler, schont die Mechanik aber fordert meine Grobmotorik. Das Fahren neben der Strasse in der Wüste ist wie eine Atlantiküberquerung im Fischkutter – man braucht Steh- (oder Sitz-)vermögen und einen guten Magen. Nach einer Stunde erheben sich die Felsformationen, die ich schon die ganze Zeit am Horizont sehe, in Lebensgrösse vor uns. Wir sind im Wadi al-Hitan, im Tal der Wale.

Im Tal der Wale gibt es Wale, bzw. deren Überreste, weil hier einst (vor 40 Mio Jahren) ein Meer war, das «Thetys». Dieses Meer (eigentlich eine Meereszunge) trennte den Kontinent Afrika («Gontwana») von Asien/Europa («Laurasia»). Die beiden Kontinente waren nur über eine Landbrücke zwischen dem heutigen Algerien und der Türkei zum Superkontinent «Pangaea» vereint. Über die Jahre drehte sich Gontwana im Gegenuhrzeigersinn näher an Lauraisa heran, riss die Landbrücke auf, schuf das heutige Mittelmeer und schloss schliesslich die Lücke zwischen Agypten und der Levante. Führ lange Zeit blieb ein eingeschlossenes Meer dazwischen – die Thetys. Im Thetysmeer verblieben u.a. ebendiese Wale. Doch die Drehung von Gontwana hob die Erdkruste unter der Thetys immer mehr an, womit das Meer austrocknete und die Wale sowie andere Meeresbewohnende zu Grunde gingen.

Entdeckt wurden die Überreste der Wale, die in Millionen von Jahren im Sand und Sandstein konserviert und später von der Erosion freigelegt wurden, erst im letzten Jahrhundert. Bis heute sind rund 250 fossile Skelette (Basilosaurus und Dorudon atrox) registriert worden. Seit 2005 ist das Wadi al-Hitan Naturschutzgebiet und UNO-Weltkulturerbe.

Zur Eröffnung des begehbaren Fossilienparks wurde ein kleines Museum und ein Helikopterlandeplatz gebaut. Letzterer diente dem damaligen Präsidenten Ägyptens Hosni Mubarak als Landplatz. Es kam aber nur seine Frau. Die dreistündige Anfahrt durch die Wüste mit dem Wellblechfinale war ihr wohl nicht zuzumuten (wobei die Piste da noch brandneu und ungewellt war). Der Landeplatz wurde seither nie mehr benützt. Alle Besuchenden fahren auf dem 30 Kilometer langen Waschbrett zum Tal der Wale. Oder eben daneben.

Dorudon atrox

Ein recht gut erhaltener Dorudon atrox im Wadi al-Hitan

waterfall wadi rayan

Im Tal der Wale, Teil 2

Das Fayoum-Becken ist eine Depression – der Qarunsee ist eigentlich ein künstlich angelegter See, sieht aber aus wie echt – Ägyptens einziger Wasserfall

Al-FAYYOUM – Ja er ist keine Fata Morgana, der Qarunsee, der ist echt und wahrhaftig – und total versalzen. Zur Echtheit des Qarunsees gehört dass er künstlich ist. Das Becken – eine Depression entstanden vor wahrscheinlich 30 Mio Jahren durch die Verschiebung der Kontinentalplatten – ist echt. Schon vor 3’800 Jahren hat Pharao Sesostris III. entdeckt, dass die Gegend dort tiefer liegt als der Nil (bzw. der Meerespiegel) und hat den Bahr Yusuf («Josefskanal») in Auftrag gegeben. Damit hat er Wasser aus dem Nil ins Becken gebracht und so landwirtschaftlich nutzbare Fläche gewonnen. Heute ist der See, mangels Abfluss, komplett übersalzt (über 10%) und zu nichts mehr nütze ausser einem wunderschönen Anblick. Er ist auch der grösste See in Ägypten und ein Naturschutzgebiet. Der Kanal besteht noch und bewässert die Acker und Plantagen rund um die Stadt Fayoum.

Erst vor etwa 45 Jahren wurde vom Josefskanal eine unterirdische Verbindung ins Wadi el-Rayan, ein noch tieferliegendes kleineres Becken (60 m.u.M.) gabaut, wodurch die Fayunseen entstanden. Die beiden Seen bilden ein Reservoir für die Bewässerung der Kulturen im Tal («Wadi») westlich der Seen. Weil aus diesen beiden Seen ständig Wasser entnommen wird, steigt der Salzgehalt nicht und es gibt darum eine reiche Fischfauna im See, was wiederum Nahrung und Arbeit für die Bewohnenden der Region bedeutet. Zwischen den beiden Seen gibt es ein Gefälle von 10 Metern, was bedeutet, dass sich der obere See in den unteren entleeren würde. Um dem vorzubeugen, wurde eine künstliche Geländetreppe angelegt, womit ein etwa 6 Meter hoher Wasserfall entstand. Er ist Ägyptens einziger und damit auch höchster Wasserfall.

waterfall wadi rayan

Der höchste Wasserfall in Ägypten

Birket Qarun/Qarunsee/Lake Qarun

Im Tal der Wale

Die Wüste lebt – eine fast verbotene Alternative zur obligaten Piramidenbesichtigung und ein magischer See – ein künstlicher Wasserfall der echt ist und das Wadi al-Hitan war einst ein Meer

GIZEH – Etwas lerne ich schnell in Ägypten: Als Tourist muss man immer sehr früh unterwegs sein. Gnadenlos holen einen die Tour Operators um Sieben vor dem Hotel ab, und wenn der Trip auch nur zu den Pyramiden geht (die von jedem Hotel in Gizeh in max. 15 Minuten erreichbar sind). Das führt dann zu Menschenaufläufen schon morgens um Acht, man glaubt es kaum. Das kommt davon, dass es im Sommer bei den Pyramiden und auch sonst überall ziemlich heiss wird im Laufe des Tages. Wer im Sommer nach Ägypten fahren muss, der wird das frühe Aufstehen um etwas zu erleben bestimmt schätzen. Ich aber nicht, und überhaupt, es ist Winter, es wird mittags gerade mal 20 Grad warm, also eigentlich kein Grund für morgendliche Hetze.

Aber bei den Guides und Operators ist das nun mal so drin im Biorhythmus. Eine Tour beginnt um Sieben, ganz gleich wohin sie führt. Ich füge mich also und stehe um Sieben in der Lobby. Einer hält ein Schild, auf dem «Michael Hug» steht, vor seiner Brust. Achmed, mein Führer. Wir fahren ins «Wadi al-Hitan», ins Tal der Wale («valley of whales»). Eigentlich sei die Tour verboten, teilte mir Nesma, die Dame bei «Maestro Tours» bei der Buchung mit. Aber es werde schon keine Probleme geben, meinte sie, das Schlimmste («most whorst») was passieren könnte, wäre, dass die Polizei uns zurückweisen würde. Doch jetzt offenbart mir Achmed, dass das Verbot schon vor zwei Monaten aufgehoben worden sei, Nesma sei nicht auf dem neuesten Stand. Das Verbot, im Übrigen, hätte die ganze Wüste westlich und östlich von Kairo betroffen (teilweise besteht das Verbot immer noch, vorab auf der Sinaihalbinsel), und sei wegen der Aktivitäten diverser Terroristen und/oder Jihadisten im Grenzgebiet zu Libyen ausgesprochen worden.

Doch Libyen ist weit weg (600km) und wir wollen ja nur ins Wadi al-Hitan, 175 Kilometer südwestlich von Kairo. Dafür brauche man gute drei Stunden, meint Fahrer Raffad. Es sei nicht geplant, das Ganze in einem Stück zu fahren. Man werde einen Tempel betrachten gehen, einen See, einen Wasserfall (echt jetzt!) und dann eben dieses Wadi. Auf dem Rückweg gäb’s dann nochmals einen See zu sehen, einen magischen sogar («magic lake») und einen Panoramaberg. Ausserdem werde man im Wadi einen Lunch bei den «locals» einnehmen. Ein beladenes Programm also, das braucht Zeit, mit ein Grund, dass man, also ich, um halb Sieben aufstehen musste (was zuhause zurzeit halb Sechs entsprechen täte). Und tatsächlich, wir werden die Zeit brauchen, denn auch ohne gross Abhängen unterwegs kommen wir erst zur Dämmerungszeit zurück.

Auf dem Weg ins Wadi fällt als erstes der grösste aller Friedhöfe weltweit (nun ja), auf. Turkish Coffe at Lake QarunAls zweites, dass wir uns dabei bereits in der Wüste befinden. Die Wüste beginnt schon kurz nach den Pyramiden bei Gizeh und endet irgendwo in Marokko, sagt Achmed. Dies ist die Sahara, doch nennt man sie hier einfach «desert». Nicht dass diese Wüste unbewohnt wäre, es hat schon das eine und andere Dorf oder Oase, gar einen See (siehe oben), doch nach Gizeh ist nichts mehr grün, sondern alles nur noch beige, Sand eben. Man muss sich vorbereiten und deshalb fragt mich Raffad nach einer halben Stunde, ob ich noch zur Toilette («bathroom») müsse, weil jetzt käme dann nur noch Wüste (als ob mann in der Wüste nicht scheissen könnte). Ich muss nicht, «go ahead» sage ich, lass es rocken. Bald fährt Raffad von der «Regional Ring Road» (die eine dreispurige Autobahn ist) runter und wir sind jetzt 80 km südwestlich von Kairo und endgültig im ägyptischen Outback.

In der Folge kämpfen wir uns, also Raffad’s Toyota Landcruiser, 20 Minuten lang durch die Sandverwehungen auf der Strasse. Dann blitzt am Horizont der blaue Qarunsee und ich rufe «Stop – let’s take pictures!». Kaffeepause. Raffad entzündet seinen Gasbrenner im Kofferraum (!) und macht mir einen guten türkischen Kaffee. Die Sonne scheint (nicht brennt, was ja vorkommen soll in der Wüste), der Tag ist jung, das Panorama fantastisch, mein Leben in Ordnung.

Letzteres geht im nächsten Post weiter.

Birket Qarun/Qarunsee/Lake Qarun

Januarmorgen am Birket Qarun (Qarunsee/Lake Qarun)