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Am Blauen Nil

Mein Fahrer Balai ist ziemlich schweigsam. Was wohl damit zu tun hat, dass er fast kein Englisch spricht (und ich kein Äthiopisch). Erst bei der Nachrecherche wird mir klar, was dies für eine bedeutsame Brücke ist (siehe Bild unten). Ein wenig aufgeschreckt durch den militärischen Checkpoint vor der Brücke frage ich Balai, was hier los ist. Er deutet auf die andere Seite des Flusses: «This is Amhara country, and this here ist Oromia country.» Hier treffen zwei Regionen aufeinander, zwei Ethnien der vielen in Äthiopien. Und diese beiden, die Amhara und die Oromia, mögen sich nicht besonders. Aus den kurzen Bemerkungen meines Fahrers schliesse ich, dass die Präsenz von Militär und/oder Polizei, etwas mit den Reibereien zwischen diesen beiden Ethnien zu tun hat.

Doch die Präsenz der Uniformierten hat wohl mehr mit der Bedeutung der Brücke zu tun. Die «Hadesi Bridge» führt hier über den Baluen Nil. Sie ist weit und breit, also wirklich sehr weit und breit, der einzige Übergang über die Schluchten des rechten (blauen) Arms des längsten Stroms der Welt. Die Brücke ist auch Teil der «Cape to Cairo Road» (Pan-African Highway), der längsten durchgängig befahrbaren Strasse der Welt (die Panamericana ist nicht durchgängig befahrbar und darum nicht die längste).

Die neue Hadesi-Brücke steht, bzw. hängt, seit 2008. Gleich daneben steht immer noch die von den Italienern gebaute Steinbrücke, die nicht mehr befahren, wohl aber zu Fuss überquert werden kann, was aber niemand tut, weil keine Fussgänger hier vorbeikommen. Die neue Brücke darf von Fussgängern nicht begangen werden – warum auch immer. Man darf auch nicht auf der Brücke kreuzen (mit Fahrzeugen) oder zu zweit hintereinander rüberfahren (fotografieren darf man grad auch nicht). Um die Brücke zu überqueren, fährt man von Hochland bei Gohatsiem von über 2500 Meter über Meer auf etwa 1500 müM runter und dann gleich wieder fast ebensoviel wieder hinauf nach Dejen. Der Blaue Nil unter der Brücke ist hier noch ziemlich jung (und braun), obwohl er schon ein paar hundert Kilometer unterwegs ist. Der Blaue Nil heisst in Äthiopien übrigens nicht Nil, weder weiss noch blau (was er ohnehin nicht ist), sondern «Abay».

Coffee Ceremony

In Äthiopien sagt man, man habe den Kaffee erfunden. Kaffeebohnen wachsen hier wie Unkraut wild und ungehemmt, mitunter auch im eigenen Garten (siehe Stauden im Hintegrund auf dem Bild). Und dann sagen die ÄthiopierInnen, sie hätten den besten Kaffee der Welt. Das kann ich nur bestätigen. Vor allem, wenn man Kaffee so geniessen kann, wie man es hier tut, mit einer regelerechten Zeremonie, der «coffee ceremony». Gelegenheiten, Kaffeezeremonien beizuwohnen, gibt es an jeder Ecke, in jedem Restaurant, Hotel oder auf dem Trottoir.

Zur Kaffeezeremonie gehört zuerst einmal Gras. Das kauft man sich auf dem Markt jeden Morgen frisch. Dann verteilt man das Gras auf dem Boden. Natürlich nicht im Wohnzimmer, sondern draussen. Weil es aber in diesem Land enad nie regnet, spielt sich das Leben ohnehin mehr draussen ab als drinnen. Ersatzweise geht auch ein Grasteppich aus Kunststoff (das Gras ist für Nichtbauern nicht gerade billig). Dann nimmt man eine Handvoll trockener Kaffeebohnen und röstet sie in einer Pfanne über Holzkohle. Dann zündet man etwas Weihrauchharz an und lässt es duften.

Wenn man, bzw. frau (die coffee ceremony zu zelebrieren ist den Frauen vorbehalten) das Gefühl hat, die Bohnen sind jetzt genug geröstet, zerstösst man sie in einem Mörser. Ersatzweise tuts auch eine handische oder elektrische Kaffeemühle. Gleichzeitig setzt man eine Kanne Wasser auf die noch glühende Holzkohle. Wenn das Wasser dampft, leert man das Bohnenpulver in die Kanne, lässt es ein paar Minuten ziehen und giesst den fertigen gebrühten Kaffee ohne den Satz in kleine Tassen. Nun kann man den Kafi geniessen, mit oder ohne Zucker. Wunderbar. Den besten Kaffee den ich je getrunken habe und billig, ca 10 Rp. auf der Strasse. Ganz gratis ist er bei meinen neuen Verwandten Walelign und Amelewerk Kidus.

Ethiopian ToiToi

Wenn man in Äthiopien übers Land fährt im Toyota Land Cruiser (bzw. sich fahren lässt), von der Hauptstadt Addis Abeba an die Quelle des Nils zum Beispiel, was einige Stunden (genau 14) in Anspruch nimmt, muss man ja ab zu zu einen Verköstigungshalt einlegen. Wenn man dabei sehr früh am Morgen losfährt, ist u.U. die eigene Verdauung noch nicht vorbereitet. Was bedeutet, dass man, also ich, unterwegs «mal muss».

In (berechtigter) Erwartung, dass der Gang zur Toilette irgendwo in den Highlands der North Shewa Zone (170 km nordwestlich von Addis) zum prägenden Erlebnis werden könnte, verschiebt man, also ich, diesen bis zum gehtnichtmehranders. Irgendwann geht es dann eben nicht mehr anders und gleichzeitig ist dann, im besten Fall, auch grad Zeit für Lunch. Also sagt man «stop here please!» zum Fahrer und sucht eine Beiz auf, bzw. deren sanitäre Anlagen. Auf dem Bild erkennt man so eine sanitäre Anlage im Hinterhof eines Restaurants an der Hauptstrasse in Tulu Milki auf 2500 m.ü.M.

Natürlich muss man sich den Weg zu diesem ToiToi suchen, denn nichts ist angeschrieben. Die gobal anwendbare Strategie vorne rein – hinten raus ist aber auch hier gültig und vereinfacht die Suche. Gut zu erkennen ist auf dem Bild unten, dass es auch in Äthiopien geschlechtergetrennte Toiletten gibt. Doch auf die Frage, wo Männlein und Weiblein sollten, erhält man keine Antwort. Die zweite Frage, ob es Papier hat, sollte man sich nicht erst nach dem Stuhlgang stellen (es hat übrigens keins). Wasser hat es übrigens auch keins, die dafür bereitgestellten Kanister sind meistens bis immer bereits leer. Am hinterlegten leeren PET-Gebinde (links im Bild) ist zu erkennen, dass man sich das Wasser selber besorgen muss.

Das Wasser ist übrigens nicht zum Spülen da, dieses erledigt sich mehr oder weniger von selbst, da es ein Loch im Boden gibt, was der Einrichtung seinen Namen gab, nämlich «Latrine», sondern um sich den Hintern zu putzen (mit der Linken (siehe auch vorangegangenen Artikel) und barhändig, es sei den man ist vorbereitet und führt einen Waschlappen mit sich). Für gute Lüftung auf solchen Abtritten ist zwar gesorgt, stinken tut es aber dennoch recht übel, was wohl damit zu tun hat, dass die Ausscheidungen nicht etwa durch ein Entwässerungssystem abgeführt werden, sondern im Boden versickern, eventuell, irgendwann mal. Über die optischen Eindrücke (und die Ästhetik) aus dem Innern der Anlage kann ich leider nichts sagen, da ich es vorzog, mein Geschäft (flüssig, das andere musste bis zum Abend warten) vor dem eigentlich dafür vorgesehenen Abtritt zu erledigen. Der üppigen Flora innerhalb der Toilettenanlage hat es sichtlich nicht geschadet (das Bild wurde nach dem Geschäft gemacht).

Balai eats Injera

Glutenfrei ohne Besteck

Was da auf dem Teller liegt und aussieht wie der Verdauungstrakt einer Milchkuh inkl. Inhalt, ist die Nationalspeise Äthiopiens (und Djibutis), die «Injera». Man bekommt es überall und überall schmeckt es gleich und überall wird es auch auf gleiche Art gegessen: ohne Besteck. Da kann auf der teigigen Unterlage liegen was will: Chicken, Rind, Schaf, Geiss (nie Schwein, es gibt keine Schweine in Äthiopien) oder Gemüse, in Sauce natürlich, schöne, heisse, schlabbrige Sauce, die Sauce ist das Beste am Ganzen. Man isst es ohne Besteck und nur mit der rechten Hand, bzw. den Fingern derer (mit der linken macht man die eher unhygienischeren Verrichtungen des Alltags). Injera ist ein Sauerteig aus einer Hirseart die «Teff» (Zwerghirse) genannt und in Äthiopien massenhaft angebaut wird, bzw. fast nur hier wächst, weil es nur auf 1000 bis 3000 M.ü.M. am besten gedeiht. Teff ist glutenfrei und reich an essenziellen Fettsäuren, also gesund. Aus diesem Teff macht man auch Bier und man kann es ausserdem dem Vieh verfuttern, das dann in Stücke geschnitten und gebraten nach dem Ableben auf der Injera liegt. Die Saucen verschiedenster Art heissen «Wot». Sie können scharf sein, müssen aber nicht und/oder als Beilage serviert werden. Injera gibt es auch für Vegetarier, ausserdem gibt es in Äthiopien am Freitag ohnehin kein Fleisch auf dem Tisch, weil der orthodoxe Glaube freitags den Verzehr von Fleisch verbietet aber sich nicht alle daran halten.

Leider oder fatalerweise für uns bleiche Europäer gibt es in den einfachen Strassenbeizen keine Servietten zur Injera. Weil eine solche ist unabdingbar weil wir es nicht auf Anhieb schaffen, mit nur einer Hand ein mundgerechtes Stück der Teff abzureissen, darin einige Fleisch-Sauce-Häppchen zu verpacken und in den Mund zu führen, ohne sich die Finger bis zum Handballen einzusaucen und/oder sein Hemd zu versabbern. Es kann auch vorkommen, v.a. wenn man privat eingeladen ist, dass man vom Gastgeber oder von der -in ein Häppchen in den Mund gesteckt kriegt. Gilt als besonders freundlich und als Geste des Vertrauens. Mir ist das passiert, womit nun auch bewiesen ist, dass die Eltern, bzw. die Schwägerin meiner Tochter mir trauen.

Sehr interessant ist das Vorgehen, wenn man in einer Strassenküche essen geht. Man kauft sich beim Metzger nebanan ein Stück Fleisch, das man dann in die Beiz mitbringt. Der Koch schnetzelt und brät es in der Pfanne oder auf dem Holzkohlengrill. Dann versetzt er es mit der Sauce (wenn so gewünscht) und drapiert es auf der Injera. Die im Übrigen kalt ist (was die Begeisterung über diesen Teigling nicht besonders fördert), weil schon am Vormittag produziert. Zu dieser Art «Ethiopian Fast Food» bestellt man sich Wasser, Tee oder, selten, Coke (machen nur Bleichgesichter). Im Anschluss setzt man sich zur «Coffee Ceremony» an den dafür vorgesehenen Platz und geniesst einen Espresso.

Zum Bild: Balai, meinem Fahrer, gelingt das einhändige Essen natürlich wie jedem Einheimischen problemlos. Er hat mich nicht gefuttert aber mir trotzdem vertraut.Balai eats Injera

Von Djibuti nach Addis Abeba

In Mieso ist Halbzeit, ca 14 Uhr, sechs Stunden sitzt man dann schon im Zug. Raus aus dem Zug kann man, wie an allen Stationen, nicht, da sind sie hart, die Kondukteure, die Ordnungskräfte, die Chinesen, es sei denn, man sei am Ziel. Doch wer will hier am Ziel sein, mitten in den Pampas in der ostäthiopischen Steinwüste. Hier treffen zwei Provinzgrenzen aufeinander und auch die Lebensräume zweier nicht immer gut aufeinander zu sprechender Volksgruppen: die der Afar und die der Issa. Beide Ethnien gehören zum multientnischen Staat Äthiopien. Die Afar leben überwiegend im Nordosten, in Eritrea (was ja einst eine Provinz in Äthiopien war) und in Djibuti. Die Issa lebenvorweigend im Osten, in Somalia und ebenfalls in Djibuti. Schaut man rechts aus dem Zug, blicke ich auf das Land der Afar. Links sind die Issa.

Beide Volksgruppen sind, oder waren ursprünglich Nomaden. Als es von beiden noch nicht viele gab, hatten sie keine Probleme miteinander. Doch in Äthiopien verdreifachte sich die Bevölkerung in 50 Jahren auf heute 105 Mio Menschen. Da kommt es zwangsläufig zu der einen und anderen Auseinandersetzung, zumal das Land im Osten nicht gerade als superfruchtbar gilt. Natürlich sind die Provinzgrenzen nur hypotetische Grenzen und wohl niemand weiss genau, wo sie verlaufen. Die Nomaden lassen ihre Tiere fressen wo es etwas zu fressen gibt. Mal ist das hüben des Bahntrassee, mal drüben. Wenn das Vieh, Ziegen, Rinder, Kamele, über die Bahnschienen will, dann geht es und der Zug muss anhalten. Das macht er bis Addis zirka 20 Mal. Deshalb kann er auch nie mehr als (gefühlte) 60km/h fahren, obwohl die Strecke für 160km/h gebaut wurde.

In Mieso teilt die Bahnstrecke zwei Lebensräume, doch auch die Strecke selbst teilt sich hier (unsichtbar). Nämlich wurde der Teil von Addis bis hier von der China Railway Corporation gebaut, der Teil ab hier bis zur Landesgrenze nach Djibuti Ville von der China Civil Engineering Construction. Insgesamt kostete die ganze Strecke (inkl. der djibutische Teil), die 2018 eröffnet wurde, 3.3 Mia US$. Früher schon existierte hier eine Eisenbahnverbindung von Addis bis Djibuti Ville. Doch sie verfiel im Laufe der Jahre und wurde um 2000 stillgelegt. Seither verrottet sie in der steinigen Wüste. Wobei man bei Schienen und Schwellen aus Stahl eher von verrosten sprechen muss, was vermutlich zirka 1000 Jahre brauchen wird. Wären die Schwellen aus Holz, wären sie schon längst nicht mehr da, weil von Termiten gefressen oder von den Nomaden verheizt.

Zum Bild: Nomadische Unterkunft. Afar oder Issa?

Der Hinterleib der Königin

«Der Hinterleib der Königin ist bei den höheren Termiten zur Beschleunigung der Eiproduktion so stark angeschwollen, dass die Tiere sich nicht mehr bewegen können. Ein solches „physogastrisches“ Weibchen kann 30.000 Eier am Tag und viele Millionen während ihres langen Lebens (vermutlich 10 Jahre) legen. Dabei ist echtes Wachstum der Kutikula beteiligt. Die zunächst geringe Zahl reifer Ovariolen der Königin wird später erhöht und auch ihre Länge nimmt zu, nicht aber ihre Gesamtzahl. Anders als bei den staatenbildenden Hautflüglern (Bienen, Wespen und Ameisen) bleibt das Männchen (König) am Leben und begattet die Königin auch später noch regelmäßig. Die männlichen Tiere sind weniger auffällig, sie unterscheiden sich vor allem durch die dunklere Farbe und die Narben der abgeworfenen Flügel von Arbeitern. Die Eier sind walzig, bisweilen gekrümmt, an den Enden abgerundet und von ungleicher Größe.
Neotenische Ersatz-Königinnen besitzen meist einen Hinterleib, der ebenfalls angeschwollen ist, aber nicht die Ausmaße der ursprünglichen Königin erreicht. Im Gegensatz zur ursprünglichen Königin sind sie heller gefärbt und augenlos. Sie können Flügelscheiden besitzen, wenn sie aus Nymphen hervorgehen, oder nicht, wenn sie sich aus Arbeitern entwickelt haben. In Termitenbauten leben die Geschlechtstiere in der Regel abgeschlossen in einer besonderen, dickwandigen Zelle.»

Aus dem Leben der Termiten (Isoptera) (Wikipedia)

Bild: Termitenbau im Osten Äthiopiens nahe der Grenze zu Djibouti

Die Ethio-Djibouti Railway

Erst seit gut zwei Jahren gibt es die neue durchgängige Eisenbahn von Addis Abeba nach Djibouti-Ville. Sie führt über 756 km durch die äthiopische Tiefebene an den Golf von Aden. Für Äthiopien bedeutet die neue Eisenbahn seine Nabelschnur zum Meer. Als eines der bevölkerungsreichsten Länder Afrikas, 105 Mio Einwohnende, hat Äthiopien keinen direkten Zugang zum Meer im eigenen Land. Dabei importiert das Land fast alles aus dem Ausland. Schon 1917 wurde eine Schmalspurbahn gebaut, die 90 Jahre lang in Betrieb war, aber mangels Unterhalt bzw. Effizienz vergammelte und schliesslich eingestellt wurde.

2010 erkannte Äthiopien erneut die Wichtigkeit einer zweiten Landverbindung – neben der gut ausgebauten Strasse A1 – zum nächstgelegenen Meereshafen und gab ein neues Eisenbahnprojekt in Auftrag. China schnappte sich den Auftrag und baute innert Rekordzeit das 756 km lange Trasse zwischen Lebu (Addis Abeba-Süd) und Nagad (Djibouti-Ville) für 3.3 Mia US$. 2016 wurde sie für den Güterverkehr in Betrieb genommen, 2018 für den Personenverkehr. Alle vier Tage fährt ein Zug von West nach Ost und umgekehrt. 16 Stunden dauert die Fahrt, für Ausländer kostet sie 45 US$, für Einheimische die Hälfte.

Man muss sich gut vorbereiten auf die Fahrt. Es gibt kein Restaurant im Zug, auch nicht auf den Bahnhöfen, nicht einmal ein Getränkeautomat. Man wird, einmal eingestiegen, nicht mehr aus dem Zug gelassen bis zum Zielbahnhof. Man muss also Proviant für einen Tag mitnehmen, wobei man den schon am Tag zuvor einkaufen muss, weil es auch am Startbahnhof keinen Laden oder auch nur einen Kiosk hat. Dafür sind die Kontrollen intensiv, die sind aber zum Schutz der Passagiere und auch um illegale Flüchtlinge abzuhalten. Allerdings würde man nicht verdursten denn es gibt fliegende Händler, nur ein gegrilltes Steak haben die natürlich nicht im Angebot – dafür aber Khat (wenn man eine Handvoll davon kaut, hat man keinen Hunger mehr).

Der Zug funktioniert tiptop. Er ist sogar pünktlich, obwohl er unterwegs wegen Viehherden etliche Male anhalten muss. Das Ein- und Auschecken braucht Zeit, Kontrollen und Checks wie auf einem Flughafen. Customs, Immigration, Ticketkontrolle, Einreisevisa, eine halbe Stunde dauert das mindestens. Dass alles funktioniert, dafür sorgen die Chinesen. Neben jeder/m äthipischen/djiboutischer/n Bahnbediensteten steht ein/e Chines*In, die ihn/sie kontrolliert oder unterstützt. Beim Warten – siehe Bild – braucht es diese Unterstützung nicht. Warum zwischendurch etliche Male intensiv auf die Weiterfahrt gewartet wird, bekommt der/die Passagier/in nicht zu wissen. Dass dann am Zielbahnhof keine Taxiflotte wartet, ist subptimal bei mangelnder Vorbereitung. Nur – wer sollte einem das vorher sagen?

https://edr.gov.et/en/

Dschibouti-Rennmaus

Die Dschibouti-Rennmaus (Gerbillus pulvinatus, Syn.: Gerbillus bilensis Frick, 1914) ist eine Rennmausart aus der Gattung der Echten Rennmäuse (Gerbillus). Die Dschibouti-Rennmaus ist eine mittelgroße echte Rennmaus mit behaarten Füßen. Die Chromosomenzahl von Exemplaren vom unteren Omo Tal ist 2n = 62 und unterscheidet sich damit von der Chromosomenzahl von Gerbillus pyramidum (2n = 38–40), als deren Synonym Gerbillus pulvinatus betrachtet wurde. Allerdings beträgt die Chromosomenzahl von Gerbillus pyramidum floweri 2n = 50–66.

Die Zahnreihenlänge von Gerbillus pulvinatus beträgt 4–5 mm, die des Holotypus von Gerbillus dunni 4,3 mm. Da weitere Informationen fehlen, wird Gerbillus pulvinatus von Yalden et al. provisorisch als gültige Art akzeptiert, Gerbillus dunni und Gerbillus bilensis jedoch weiter als Synonym betrachtet.

Die Dschibouti-Rennmaus ist in Dschibuti, im Südwesten Äthiopiens, im Nordwesten Kenias und möglicherweise im Südosten des Sudans verbreitet. Ihr Lebensraum sind trockene Habitate von Geröllebenen bis zu offenem Grasland. Unter dem Synonym Gerbillus bilensis wurde die Art 1996 von der International Union for Conservation of Nature and Natural Resources (IUCN) vom Aussterben bedroht eingestuft.

Anm.: Muss man das eigenetlich wissen? Nein, natürlich nicht. Aber man, also ihr, seht, auf was für Abwege man kommt, wenn man, also ich, in einer Wartehalle sitzt mit einem Bier und im Internet so vor sich herrecherchiert.

Anm. 2: Diese Rennmaus rennt jedoch so verdammt schnell, dass sie noch keiner gesehen hat, sodass es keine Bilder gibt und leider nur eine Zeichnung einer artähnlichen Rennmaus.

Khat

Djibouti – Addis Abeba

Green Deal im Zug – 500 Gramm Khat für 100 Birr (ca. 3US$) – reicht für 2 Tage. «You will not sleep this night!» sagt der Junge und ich kaue. Ich schaffe einen Zweig, dann graust es mich. Ich verspüre keine Wirkung: «Da kann ich ja Gras fressen», meine ich. «Du musst mehr kauen, sagt der Junge, die Wirkung tritt erst nach einer Weile, vielleicht in einer Stunde ein.» Also gegen Abend. Ich kaue trotzdem nicht mehr von dem Zeugs weil ein schöner Teil zwischen den Zähnen hängen bleibt. Der Junge kaut recht engagiert weiter, er vertilgt mit seinem Kumpel bis wir in Lebu aus dem Zug steigen das ganze Bündel. «Zugreifen, in Djibouti kostet es vier Mal mehr» meint er nur und grinst. Heute Abend wird Party gemacht in Addis Abeba: «In Djibouti kannst du keine Party machen, alles viel zu teuer.» Auch der Khat.

Und doch wird das grüne Kraut in Djibouti an jeder Ecke verkauft, vor allem in den ärmeren Quartieren und auch in der Slum City «Arhiba». Khat ist eine eher schwache Droge. Doch wenn man genug davon kaut so den Tag durch reichts für ein konstantes Beduseltsein. Nicht alle Konsumenten reagieren gleich: manche ziehts runter, manch puscht es hoch, manchmal gibts Halluzinationen obendrauf und manchmal dreht einer durch und kommt icht mehr zurück. Zum ersten Mal gekaut, schmeckt es wie Gras (das was die Kühe fressen, imfall, nicht das manche rauchen), in Aussehen und Grösse gleicht es der Sauerampfer, wächst aber am Stracuh und nicht am Boden. Man gewöhnt sich an den grauslichen Geschmack und schliesslich macht der Inhalt süchtig, so dass der Geschmack beim Kauen nicht mehr ins Gewicht fällt. Wie beim Rauchen oder Trinken: eigentlich eine grausliche Sache, aber es hat eine bestimmte Wirkung, die man nicht missen möchte und deshalb denkt man sich die Nebenwirkungen einfach weg. Und auch der Khat färbt die Zähne grauslich braun wie das Rauchen.

Zum Bild: Wie Motten ums Licht: Kaum ist die Khathändlerin in Dire Dawa zugestiegen, wird sie von (jungen) Männern umzingelt.

Khat

Ausserdem kann Khat kurzfristig Verstopfungen hervorrufen oder mittelfristig Impotenz bei gleichzeitigen unfreiwilligen Ejakulationen. Langfristig muss man mit Leberschäden rechnen und Verdoofung des Hirns. Aber Khat ist ein Geschäft in Äthiopien und Djibouti wie die Kaffee- oder Zuckerrohrproduktion. In Djibouti geht der Anbau zurück, wie der von Kaffee und Zuckerrohr auch, weil es eben einfacher und billiger ist, Lebensmittel aus dem Ausland zu importieren und damit Arbeitsplätze im Land abzubauen. Man kaut lieber billigen Khat aus Äthiopien, übrigens ist er hüben wie drüben legal, und schmeisst billigen Zucker aus Kuba in den Nescafé. Coca Cola und Orangansaft sind die einzigen Lebensmittel, die in Djibouti hergestellt, bzw. aus ausländischem Sirup und Konzentrat mit einheimischem Wasser verdünnt werden. Achja, die «flûtes» werden auch hier gebacken – aus französischem Weizenmehl. Aber die Stangenbrote essen nur die Ausländer und die Stadtziegen in den Armutsvierteln dann die Resten.

Camp Lemonnier

Wächter über den Golf

Im Nachgang der 9/11-Anschläge wurde George W. Bush, kaum im Amt, von der Idee beschlichen, dass alles terroristische Übel aus der Region am Horn von Afrika kommen muss. Seit November 2002 bauen darum die US-Streitkräfte im Rahmen des internationalen Programms «Operation Enduring Freedom – Horn of Africa» (OEF-HOA, seinerseits Teil des internationalen Programms «Operation Enduring Freedom», das u.a. Afghanistan die andauernde Freiheit bringen sollte) ihre «Combined Joint Task Force – Horn of Africa (CJTF-HOA)» im Camp Lemonnier in Djibouti sukzessive aus. Rund 4 000 Soldaten und Soldatinnen leisten auf der ehemals französischen (nach General Emile-René Lemonnier benannten) und nun grössten amerikanischen Militärbasis auf dem afrikanischen Kontinent Dienst. Aufgabe der CJTF-HOA ist es, Sicherheit und Stabilität in der Region herzustellen, wozu auch die Bekämpfung von terroristischen Aktivitäten und der Waffenschmuggel zählt. Durch die Resolution 1368 (die die OEF erst ermöglicht hatte) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 12. September 2001 legitimiert, mischeln die USA nun in den Kriegen, Bürgerkriegen und sonstigen Unruhen der Region (Sudan, Somalia, Djibouti, Äthiopien, Eritrea, Seychellen und Kenya) mit, doch auch Mauritius, die Komoren, Liberia, Ruanda, Uganda und Tansania zählen zu den Eventualeinsatzgebieten. Dazu muss das Personal der CJTF-HOA oft nicht einmal das Camp verlassen. Mit raketenbestückten Predator-Drohnen über dem Jemen schickt man schon mal den ein oder anderen Al Kaida-Chef ins Jenseits.

Aus: «Mediterranea», grippedbäg, 2015

Was ich da vor fünf Jahren geschrieben habe, als ich mit dem Containerschiff «CMA CGM Hydra» durch den Golf von Aden an Djibouti vorbeituckerte, stimmt immer noch. Nur hat sich für die Amerikaner die «Bedrohungslage» leicht nach Nah-Ost verschoben. Doch auch dieser Teil der Erde ist von Djibouti aus leicht überwachbar, bzw. fernsteuerbar, wenn es darum geht, Militärchefs anderer Nationen auszulöschen. Lies dies: https://www.defenceweb.co.za/…/us-continues-to-expand-djib…/

Mittlerweile sind aber auch die Chinesen in Djibouti und bauen einen militärischen Stützpunkt auf. Ihnen geht es weniger um das militärisches Eingreifen, das auch wenn nötig, als eher um den Schutz ihrer Handelswege, die «Neue Seidenstrasse».

Camp Lemonnier