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Malaga, 25.12.16.

Calle Marqués de Larios, Málaga

Weihnachten ist in Spanien ein Halleluja auf die Erfindung der LED (Light Emitting Diode/erfunden 1927 vom Russen Oleg Losev, aber mangels geeigneter Anwendungen von der Welt wieder vergessen). Jedenfalls kommt mir das so vor, wenn ich, wie gstern abend um etwa fünf Uhr durch die verkehrsfreien Gassen von Malaga wandle. Gestern war der 25. Dezember. Der erste Weihnachtstag. Bei uns wird das normalerweise (seit es an Weihnachten keinen Schnee mehr gibt) in der Familie verbracht. Feiernderweise allenthalben (was immer man unter feiern versteht). Es wird gegessen (ziemlich viel), gestritten (da und dort) und ferngesehen (ziemlich viel). Wenn das Wetter einigermassen vielversprechend ist (abgesehen vom Fehlen des Schnee’s), geht man nach dem Mittagessen oder Brunch gschnell raus spazieren oder in den Walther Zoo. Spätestens aber wenn die Sonne sich hinter die Voralpen duckt, ist fertig mit Flanieren. Dann kehrt der/die SchweizerIn in sein/ihr Heim zurück, schaut zu dass der Besuch sich endlich verdrückt und Ruhe ist in der Hütte. Keinesfalls aber geht der Schweizer (und die Schweizerin) nochmals raus wenn es dunkel ist und/oder kalt. Warum auch, es ist eh nichts los. Die Wirtshäuser sind zu, die Skilifte stehen still und es ist kein Mensch mehr auf der Strasse. Die verkehrsfreien Gassen der Klein- und Städte sind leergefegt und bieten ein himmeltrauriges Bild.

Das ist hier z’Spanien ganz anders. Um halb Sieben zur Nacht wird die Weihnachtsbeleuchtung angemacht. Darauf hat mich der Concierge schon beim Einchecken (um 16 Uhr) hingewiesen. Die «Plaza de la Constitucion» sei der place to be, ein Haufen Leute sei da und Lichter überall. So war es denn auch. Um genau halb Sieben wurde die Weihnachtsbeleuchtung eingeschaltet. Der Christbaum aus verkabeltem Eisengitter begann zu brennen, äh, zu leuchten, und tauchte den Platz in grelles LED-Licht. Samichläuse sprachen «Hohoho!» und Luftballonsverkäufer verkauften Kindern (bzw. deren Eltern) bunte Luftballons. LosverkäuferInnen begannen Lose zu verkaufen und ebenso PistazienverkäuferInnen. Und wie gesagt – ein Haufen Leute. Kind und Kegel, Pärchen, Alte, Junge, Eltern, Nichteltern, ein paar Touristen, ich und der eine und andere Hund. Es war ein Gedränge an einem 25. Dezember von mir selten gesehenen Ausmasses. Als ob der Heiland demnächst niedersteigen würde oder es etwas gratis gäbe.
Vordergründig betrachtet war da eigentlich nichts Attraktives oder Interessantes zu sehen und/oder zu erleben ausser der Beleuchtung. Der erleuchtete Stahlgitterweihnachtsbaum auf der Plaza de la Constitucion und der gebogene LED-Himmel über der Calle Marqués de Larios, DIE Shoppingmeile Malaga’s (siehe Bild). Doch eigentlich feierten die Malagesen und -innen sich selbst. Jeder und Jede der und die Beine hat, war gestern abend auf der Piste. Aber wirklich jeder und jede. Die Terrassen der Beizen in der Altstadt füllten sich und die Menschenschlange vor dem Eingang zur «Catedral de la Encarnación de Málaga» wurde immer länger (im Endstadium um ca. 19h30 ca. 60 Meter). Drin fand aber nicht etwa eine Messe statt, sondern war (und ist immer noch) eine seh- und/oder bemerkenswerte Krippe aufgebaut, die nur zu bestimmten Zeiten zugänglich ist (17h00 – 22h00).

Meine Kathedrale war das Café Viktoria und die Krippe war die Bar. Und mein Jesuskindlein war eine ración de jamon iberico. Dazu reichte mir Maria una copa de Rioja.

De Vallette’s Burgerstand

Val­letta, die Haupt­stadt Mal­tas, ist im Umbruch. Zumin­dest der Stadt­teil, den jede/r Besu­chende, also jede/r Tourist/in (daselbst auch die vie­len Arbeitspendler/innen, die jeden Mor­gen aus den Vor­städ­ten in die Haupt­stadt zwecks Aus­übung ihres Jobs ein­schwär­men) zuerst antrifft, das Regie­rungs­vier­tel. Hier hat der ita­lie­ni­sche Star­ar­chi­tek Renzo Piano im Auf­trag der Lan­des­re­gie­rung ein neues Stadt­tor und ein Par­la­ments­ge­bäude gebaut. Ein modern gestyl­tes archi­tek­to­ni­sches Kunst­werk, das, seit es kon­krete For­men ange­nom­men hat, die Bevöl­ke­rung auf­rührt und in zwei Lager teilt.

Mit dem Bau des neuen Par­la­ments (auf einem vor­her nicht wirk­lich sinn­voll genutz­ten Grund­stück) hat man auch dem im 2. Welt­krieg aus Ver­se­hen zer­bomb­ten und seit­her zer­bombt dahin­ve­ge­tie­ren­den «Royal Opera House» ein neues, ebenso streit­ba­res Gesicht gege­ben. Gleich hin­ter der Oper wurde ein Platz restau­riert, auf dem seit etli­cher Zeit Jean de la Valette (1494 — 1568) in Bronze sich prä­sen­tierte, als Erin­ne­rung und Ehrer­wei­sung an den Stadt­grün­der (der ein Fran­zose war). Nun, da das ganze Quar­tier durch die Neu­be­bau­ung und Restau­ra­tion ein neues Dis­po­si­tiv erhal­ten hat, haben, wie erwar­tet, die Bevöl­ke­rung und die Tourist/innen (auf jede/n Malteser/in kom­men vier Tourist/innen pro Jahr) vom Quar­tier Besitz ergrif­fen. Ebenso die, die immer da sofort sind, wo täg­lich viele Leute sind, näm­lich die Händ­ler, Ver­kös­ti­ger und Anbie­ter von aller­lei Un– und nüt­zem. Einer die­ser Fast-Food-Anbieter hat sein rol­len­des Burger-Wägelchen etwas gar nahe an den bron­ze­nen de Valette gestellt, was innert Kürze zu hef­ti­gen Dis­kus­sio­nen und erbos­ten Ein­sprü­chen bei der Behörde geführt hat. Respekt­los sei das, so der Ton, wenn Jean nun end­lich die Auf­merk­sam­keit erhal­ten habe, die ihm gebührt, darf man ihn nicht sogleich wie­der mit pro­fa­nen Geschäfts­in­ter­es­sen die Show steh­len. Der Hot-Dog-Kocher jeden­falls musste sein Wägel­chen schon bald etwas wei­ter weg von der Sta­tue plat­zie­ren, es konnte aber nicht ver­hin­dert wer­den, dass sich innert weni­ger Tage wei­tere Burger-, Cola-, Bal­lon– und sons­tige ver­zicht­bare Pro­duk­te­an­bie­ter zu den Hot Dogs gesell­ten. Wenigs­tens aber wur­den sie am Rand es Plat­zes in gebüh­ren­dem Abstand von Jean, dem Stadt­grün­der, verwiesen.

Viel weni­ger Unmut erzeugte die Aktion eines Kiosk­be­trei­bers an einem klei­nen Strand im äus­sers­ten Nord­wes­ten der Insel. Im Sand von Gha­dira hat eif­rige Mann zwecks Erstel­lung eines Fun­da­ments für einen neuen Ver­pfle­gungs­ki­osk über Nacht eine Beton­platte in den Sand gegos­sen. Nun ist er dort nicht der ein­zige, es gibt schon sie­ben sol­che Klein­re­stau­rants, alle ste­hen schon seit Jah­ren da und bie­ten, man­gels rich­ti­ger Restau­rants, den Bade­gäs­ten und Flaneur/innen Flüs­si­ges und Fes­tes zur Labung nach oder vor ihren anstren­gen­den Strand­ak­ti­vi­tä­ten. Nun ist aber die­ser kleine Strand schon seit län­ge­rer Zeit auf einer Liste mit dem Label «Blue Flag» ver­merkt, wel­che alle schüt­zens­wer­ten Mee­res­ge­stade der Insel auf­führt. Dies vor dem Hin­ter­grund, dass Strände auf Malta Man­gel­ware sind, es gibt zwar exakt 12 Strände mit rich­ti­gem Sand, doch kei­ner ist mehr als 100 Meter lang, der Rest der rup­pi­gen Küste ist Fels. Auf den Sand die­ser Insel muss man die schüt­zende Hand hal­ten, dass hat auch der Staat ein­ge­se­hen und diese Liste an sich anerkannt.

Weil aber auch auf Malta die Müh­len lang­sam mah­len, soll die Schutz­ver­ord­nung dazu erst in den nächs­ten Mona­ten erlas­sen wer­den. Der Kioskbauer aber hat schnel­ler gehan­delt und noch recht­zei­tig den Beton­truck kom­men las­sen. Und das voll­kom­men legal, denn er hat dazu auf selt­same Weise eine Bau­be­wil­li­gung im Schnell­ver­fah­ren bekom­men. «Deve­lop­ment Noti­fi­ca­tion Order» nennt sich diese Bewil­li­gung, die übli­cher­weise für die Restau­ra­tion von unter­ge­ord­ne­ten Bau­ob­jek­ten wie Bal­kone o.ä. ver­ge­ben wird. Alles legal, sagt die staat­li­che Pla­nungs­be­hörde Mepa («Malta Envi­ron­ne­ment & Plan­ning Aut­ho­rity») und nimmt den Wind aus den Segeln des Mini­auf­stands. Denn auf das Pro­blem auf­merk­sam machen tun der­zeit nur ein paar enga­gierte Umwelt­schüt­zer und das Tages-Printmedium «Times of Malta». Im Volk ange­kom­men ist die luschere Aktion der Mepa (noch) nicht.

Das dritte Pro­blem zu die­sem Thema ist noch nicht aus­ge­stan­den. Es han­delt sich um die Ver­schie­bung des Stras­sen­mark­tes «Monti», der sei­nen Stand­ort seit Jahr­zehn­ten in der Mer­chant Street (wie pas­send!) in der Fuss­gän­ger­zone von Val­letta hat. Es gibt Absich­ten an höchs­ter Stelle, den «Monti» aus der in der Tat äus­serst betrieb­sa­men Strasse zu ent­fer­nen, u.a. auch, um die Rück­seite des Prä­si­den­ten­pa­lasts in einem bes­se­ren Licht ste­hen zu sehen — sollte des­sen Fas­sade der­einst mal fer­tig restau­riert sein. Da passt dann so ein Stras­sen­markt mit sei­nen abge­half­ter­ten Markt­stän­den und dem bizar­ren Waren­an­ge­bot (von Büs­ten­hal­ter, Son­nen­bril­len, Bil­lig­jeans, Unecht­le­der­hand­ta­schen etc.) nicht mehr hin, sagt die Behörde, die das Sagen hat in die­ser Sache.

Die Behörde hat auch schon einen neuen Stand­ort gefun­den, und zwar in der Ord­nance Street, einer Sack­gasse vis à vis des vor sei­ner Voll­en­dung ste­hen­den Piano-Parlaments. «Eine Frech­heit!» sagen Architektur-Fans, «genau der rich­tige Ort um Leben ins Quar­tier zu brin­gen», sagen die Befür­wor­ter, die end­lich ohne Kör­per­kon­takt durch die Mer­chant Street fla­nie­ren wol­len. Die Drit­ten, die sich ein­mi­schen in den Streit, sind die, die den Monti an sich über­flüs­sig fin­den: «Nicht von dem was da ver­kauft wird, wird in Malta pro­du­ziert oder gebraucht, und es ist alles auch in den Läden Valet­tas zu haben!»

Dass die Behörde auch gleich einen Pro­to­typ für einen neuen, uni­for­men Markt­stand vor­ge­stellt hat, hat den Zorn vie­ler Vallettianer/innen der­mas­sen erregt, dass sie in den sozia­len Medien eine Peti­tion gegen das Vor­ha­ben lan­ciert haben. Das Thema beschäf­tigt auch die sehr auf­merk­same Tages­presse des Lan­des, und zwar nicht im Lokal­teil, son­dern pro­mi­nent unter «Natio­nal» (wo u.a. z.Z. auch die Tat­sa­che abge­han­delt wird, dass ein ehe­ma­li­ger Minis­ter eine halbe Mil­lion € auf einem Gen­fer Konto einer bekann­ten eng­li­schen Bank gehor­tet hat (die er auch im Land hätte hor­ten kön­nen, da diese Bank auch in Malta prä­sent ist)). Sozu­sa­gen als Kol­la­te­ral­scha­den kommt mit dem Auf­stand gegen die neuen Markt­stände und deren neuer Stand­ort auch die Miss­bil­li­gung der Gestal­tung des neuen Par­la­ments so rich­tig hoch. In den online-Kommentaren wird der 200-Mio-€-Wurf des ita­lie­ni­schen Star­ar­chi­tek­ten schon mal «cheese gra­ter» (Käseraf­fel) genannt.

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Respekt­los: Jean de la Valette und sein Burger-Kiosk (Bild: Times of Malta)

Nach­trag: Am Tag nach der Nie­der­schrift die­ses Blogs sind alle Imbiss­stände von der «Pjazza de Valette» ver­schwun­den. Gemäss eines Berichts in der «Times of Malta» habe der natio­nale Kul­tur­mi­nis­ter him­self diese Weg­wei­sung befoh­len. Angeb­lich hät­ten die Kiosk­be­trei­ber für die Zeit der Fas­nacht eine Bewil­li­gung von der Stadt­be­hörde gehabt. Die Fas­nacht ist nun vor­bei und Mon­sieur de la Valette hat seine Ruhe. Bzw. kann sich nun ohne unpäss­li­chen Hin­ter­grund von und mit Touristen/innen foto­gra­fie­ren lassen.