Was da auf dem Teller liegt und aussieht wie der Verdauungstrakt einer Milchkuh inkl. Inhalt, ist die Nationalspeise Äthiopiens (und Djibutis), die «Injera». Man bekommt es überall und überall schmeckt es gleich und überall wird es auch auf gleiche Art gegessen: ohne Besteck. Da kann auf der teigigen Unterlage liegen was will: Chicken, Rind, Schaf, Geiss (nie Schwein, es gibt keine Schweine in Äthiopien) oder Gemüse, in Sauce natürlich, schöne, heisse, schlabbrige Sauce, die Sauce ist das Beste am Ganzen. Man isst es ohne Besteck und nur mit der rechten Hand, bzw. den Fingern derer (mit der linken macht man die eher unhygienischeren Verrichtungen des Alltags). Injera ist ein Sauerteig aus einer Hirseart die «Teff» (Zwerghirse) genannt und in Äthiopien massenhaft angebaut wird, bzw. fast nur hier wächst, weil es nur auf 1000 bis 3000 M.ü.M. am besten gedeiht. Teff ist glutenfrei und reich an essenziellen Fettsäuren, also gesund. Aus diesem Teff macht man auch Bier und man kann es ausserdem dem Vieh verfuttern, das dann in Stücke geschnitten und gebraten nach dem Ableben auf der Injera liegt. Die Saucen verschiedenster Art heissen «Wot». Sie können scharf sein, müssen aber nicht und/oder als Beilage serviert werden. Injera gibt es auch für Vegetarier, ausserdem gibt es in Äthiopien am Freitag ohnehin kein Fleisch auf dem Tisch, weil der orthodoxe Glaube freitags den Verzehr von Fleisch verbietet aber sich nicht alle daran halten.
Leider oder fatalerweise für uns bleiche Europäer gibt es in den einfachen Strassenbeizen keine Servietten zur Injera. Weil eine solche ist unabdingbar weil wir es nicht auf Anhieb schaffen, mit nur einer Hand ein mundgerechtes Stück der Teff abzureissen, darin einige Fleisch-Sauce-Häppchen zu verpacken und in den Mund zu führen, ohne sich die Finger bis zum Handballen einzusaucen und/oder sein Hemd zu versabbern. Es kann auch vorkommen, v.a. wenn man privat eingeladen ist, dass man vom Gastgeber oder von der -in ein Häppchen in den Mund gesteckt kriegt. Gilt als besonders freundlich und als Geste des Vertrauens. Mir ist das passiert, womit nun auch bewiesen ist, dass die Eltern, bzw. die Schwägerin meiner Tochter mir trauen.
Sehr interessant ist das Vorgehen, wenn man in einer Strassenküche essen geht. Man kauft sich beim Metzger nebanan ein Stück Fleisch, das man dann in die Beiz mitbringt. Der Koch schnetzelt und brät es in der Pfanne oder auf dem Holzkohlengrill. Dann versetzt er es mit der Sauce (wenn so gewünscht) und drapiert es auf der Injera. Die im Übrigen kalt ist (was die Begeisterung über diesen Teigling nicht besonders fördert), weil schon am Vormittag produziert. Zu dieser Art «Ethiopian Fast Food» bestellt man sich Wasser, Tee oder, selten, Coke (machen nur Bleichgesichter). Im Anschluss setzt man sich zur «Coffee Ceremony» an den dafür vorgesehenen Platz und geniesst einen Espresso.
Zum Bild: Balai, meinem Fahrer, gelingt das einhändige Essen natürlich wie jedem Einheimischen problemlos. Er hat mich nicht gefuttert aber mir trotzdem vertraut.