Warten auf den Zug – In Nouadibou steht die Zeit in der Mittagshitze still – Und dann kommt der Zug – Zwar nicht der gewünschte, aber aus dem sähe man ohnehin nichts – Riding the Desert Train – Inschallah
NOUADHIBOU. Äh – Nouadhibou? Muss wohl in Afrika liegen, dem Namen nach. Nur – wo enad? Mauretanien. Äh – Mauretanien? Jemand aus meinem FreundInnenkreis fragte zurück: «Ui Mauritius – da wollte ich auch schon immer hin – du bist zu beneiden!» Und jemand anders sagte: «Ich habe bis jetzt nicht gewusst, dass es dieses Maretanien überhaupt gibt!» Erstere musste ich aufklären, dass Mauretanien nicht Mauritius ist und nicht im Indischen Ozean liegt, sondern in Westafrike. Und sie sich besser nicht wünschte, dabei zu sein. Denn es ist heiss in Mauretanien und trocken, einiges gibt es nicht (ein gutes Bier (weil verboten), Strassenkarten (weil nicht viele Strassen), Berge (weil flach), Internet (weil Wüste), anderes aber zuhauf (Zeit, Sand, Sonne, Nullen auf den Geldscheinen). Anderseits muss ja wer dahinreisen, damit man, also ihr zuhause, mitbekommt, dass dieses Mauretanien eben nicht im Indischen Ozean liegt (sondern am Atlantischen), dass es da etwa 4.5 Mio Menschen gibt und dass diese auch schon mal in Europa waren, in Spanien nämlich. Die Mauren, da war doch mal was?
Nouadhibou ist die zweitgrösste Stadt im Land (ca. 80’000 Einwohnende). Einst, als Mauretanien eine französische Kolonie war, hiess die Stadt Port Etienne. Noch einster gab es auf der Halbinsel, auf der Nouadhibou liegt, der «Ras Noaudhibou», eine spanische Siedlung namens «La Gouira». Zu Zeiten des Beginns der Kolonialisierung des Kontinents Afrika war es üblich, an vielversprechenden Orten an der Küste Handelsposten zu gründen. Also Orte, wo man (die Kolonialisten) mit den Einheimischen Handel betreiben (bzw. die Waren aus der geplünderten Kolonie verladen) konnte. La Gouira erwies sich aber als nicht wirklich einträglich, und als die Franzosen Spanien die Kolonie abnahmen (bzw. kriegerisch eroberten), gründeten ebendiese selbst einen Handelsposten nicht weit von diesem La Gouira, eben dieses Port Etienne. Erst mal wurde in Port Etienne nur Fischerei betrieben. Als im Landesinnern um 1960 riesige Eisenerzvorkommen gefunden wurden, anerbot sich Port Etienne als Verladehafen an. Dazwischen kam aber 1960 die Unabhängigkeit Mauretaniens und in der Folge die Umbenennung der Stadt in Nouadhibou. La Gouira ist heute eine Geisterstadt, es lebt niemand mehr dort, so wie auf der westlichen Seite der zwischen der Wetsahara und Mauretanien zweigeteilten Insel niemand wohnt. Wäre auch schwierig, denn Marokko, die Macht in der Westsahara, hat den Flecken komplett vermint (roter Streifen auf dem Bild).
Wir aber warten immer noch auf unseren Zug. Scheints soll am Abend ein leerer Zug Nouadhibou verlassen, aber wann weiss man nicht. Idoumou, unser Tourorganisator, hat uns ohnehin geraten, nicht den Nachtzug zu nehmen, da man nachts in der Wüste ja nichts sehe und ausserdem der Wagen für die Passagiere hinten am Zug angehängt werde, wo die Sicht permanent durch den vom Zug aufgewirbelten Sand beeinträchtig würde. Es fahre am Nachmittag ein Servicezug los und er, der beste in seinem Métier, wie er sagt, habe es dank seiner Verbindungen ins höchste Management der SNIM (Société Nationale Industrielle et Minière – staatliche Minengesellschaft (auch der Güterzugbetreiber)) geschafft, uns einen Platz in diesem Zug zu sichern. Nur: dieser Zug hätte keine Waggons für Passagiere, deshalb müssen (oder dürfen) wir im Führerhaus der Lok mitfahren. Und wann fährt der Zug? «C’est apès-midi, inschallah!»
Währenddessen fahren uns Adama, der Chauffeur des Pick-Up, das uns begleitet, und Achmad, der Guide, der uns führen wird, kreuz und quer durch die Stadt Nouadhibou. Wir sehen uns das Cap Blanc an, den Schiffsfriedhof, das Busreisebüro (wo wir Tickets für die Rückfahrt von Nouakschott kaufen), den Markt (den sich meine Begleiterin Verena besonders aufmerksam reinzieht, ich warte derweil im Schatten (keine Beiz in der Nähe)) und trinken scheusslichen Pulverkaffee in einem Gartenrestaurant. Irgendwann gegen fünf Uhr am Nachmittag fährt ein vollbeladener Erzzug mit Gedonner und Getöse durch die Stadt. Wir nehmen mit dem Pick-Up die Verfolgung auf, machen Fotos aus dem fahrenden Auto vom fahrenden Zug, überholen ihn und machen Fotos an einem Bahnübergang.
Doch jetzt geht es für uns los. Nachdem der etwa zwei Kilometer lange Güterzug vorbeigedonnert ist, setzt sich der Servicezug auf dem Nebengleis in Bewegung. Jetzt aber seckeln. Doch wir dürfen nicht hier aufsteigen, keine Ahnung warum (wahrscheinlich darf es niemand sehen), sondern müssen den Zug ausserhalb der Stadt treffen. Wir jagen also mit dem Toyota quer durch die Stadt, derweil der Zug um sie herumfährt und treffen ihn im Westen der Stadt wieder. Während der Zug die Bremsung einleitet, fahren wir im Niemandslandsand einen halben Kilometer neben ihm her und dann steht er auch schon. Jetzt aber rauf auf die Lok mit Sack und Gepäck und bon voyage – on se retrouve au l’arrèt prochain! In fünf Stunden – aber das wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht.