Ein geköpftes Ei mitten in Beirut bereitet Bauchschmerzen – Es soll weg weil es teuren Baugrund entwertet – Es soll bleiben: Als Erinnerung und Mahnmal gegen die Dubaiisierung – Vorläufig aber gammelt der architektonische Exkurs vor sich hin wie ein faules Ei
BEIRUT. Es sieht aus wie ein Bunker und es würde mich nicht wundern, wenns einer wäre. Nur, der Krieg ist vorbei, niemand braucht mehr einen Bunker (Holz angreifen!), warum steht das zerschossene Betonding denn noch hier? Weil es noch keiner gewagt hat, es niederzureissen. Es ist eine grossartig quere architektonische Idee. Es sieht aus wie ein Stück Seife, oder wie ein geköpftes, liegendes Ei und heisst darum auch so: «The egg».
Das Ei ist ein Kino. D.h., es war eines, bis der Bürgerkrieg es zerschoss und folglich unbenutzbar machte. Das Ei, geplant vom Architekten Joseph Philippe Karam (1923-1976), betoniert im Jahr 1966, war Teil des damals geplanten «Beirut City Center», eine Überbauung mit zwei Bürohochhäusern, Shopping Mall im Erdgeschoss und ein Kulturzentrum – das Ei-Kino. Gebaut wurde nur ein Bürohaus und das Ei, dann brach der Bürgerkrieg aus. Das City Center stand auf der «Green Line», der imaginären Grenze zwischen den Kriegsparteien Ost- und Westbeirut. Alles was im Bereich dieser grünen Linie stand, wurde in den 15 Jahren des Bürgerkriegs unter Beschuss genommen. Dementsprechend präsentierten sich die Bauten an dieser Green Line – sie waren alle nicht mehr benutzbar und wurden im Zuge des Wiederaufbauplans für den Central District niedergerissen (siehe auch Post «Beirut Downtown».
The egg aber steht immer noch so da wie am letzten Tag des Kriegs. Niemand wagte bis heute es anzurühren. Erst hielt die Stadtregierung schützend die Hand darüber, und nun, nachdem es die Stadt zum Abschuss freigegeben hat und das Grundstück an einen Investor aus Abu Dhabi verkauft wurde, wehrt sich die Beiruter Avantgarde gegen den Abriss. Architekten streiten sich über den architektonischen Wert des Beton-Ei’s, Einheimische, die den Krieg überlebt haben, möchten es als Erinnerungs-Symbol behalten, der neue Grundbesitzer möchte es natürlich weghaben, weil der baugrund darunter viel zu wertvoll ist. Seit mehreren Jahren wird also heftig darüber diskutiert, was mit dem Ei im Kuckucksnest des Central District (Beirut Downtown) geschehen soll: Stehenlassen wie es ist, sanfte Renovation, Runderneuerung oder Abreissen. Rundherum haben ideenlose Bauherren und Architekten neue Bauten hochgezogen und wo das noch nicht soweit ist, wüten derzeit Planer, Bagger und Banken.
Daselbst wurde auf der Nordseite des Ei’s eine neue Moschee gebaut, Beirut’s heute grösste namens «Mohammed-al-Amin-Moschee». Doch der Rest des Quartiers wird demnächst in Beton, Glas und Stahl erstrahlen. Mit oder ohne Ei. Hoffentlich mit. Als ein Mal gegen die Gentrifizierung. In Beirut auch Dubaiisierung genannt.