Sonnenuntergang auf dem Nassersee – Die Männertoilette auf der «Sinai» ist ein rostiges Loch – Die der Frauen vermutlich auch – Dafür sind die Teller beim Dinner unzerstörbar
NASSERSEE – Irgendwann im Nachmittag legt die «Sinai» ab. Nun sind wir also unter uns. Keine lästigen Dienstanbieter mehr, die Passagiere suchen sich ein Plätzchen auf dem Oberdeck um sich die Sache von erhöhter Warte anzusehen. Einige und ich suchen das Schiff ab, zum Beispiel nach etwas Trinkbarem, zum Beispiel Bier. Doch Alk o.ä. gibt es hier nicht, nur süsse Limonaden und Wasser. Erste Passagiere beginnen bereits mit dem Abendessen, auch der freundliche Herr von vorhin, der mich schnell in ein Gespräch vermittelt. Und wenn ich Hilfe bräuchte in Wadi Halfa, an unserem Zielort, solle ich einfach nach ihm, «the egypt» fragen. Er sei dort wohlbekannt, fahre jeden Monat einmal hin, Händler sei er, Schmuck, Textilien, so Sachen halt.
Die Sinai verkehrt auf dem Nassersee («Buḥairat Nāṣir») als Linienschiff und fährt einmal pro Woche den ganzen See rauf. Assuan High Dam – Wadi Halfa und zurück, rund 500 Kilometer sind das. Sie braucht dazu rund 20 Stunden, d.h. eine Übernachtung ist dabei, deshalb die Kabinen. Zwei Mahlzeiten sind auch dabei, Breakfast und Dinner, wobei eine im Ticketpreis inbegriffen ist. Ich wähle Dinner und bekomme eine Metallschale mit allerlei Essbarem drauf plus einen Löffel aus Plastik (für die Sauce, Einheimische essen alles mit den Fingern). Beim Essen lerne ich Nicolas aus Kanada kennen, der eigentlich Franzose ist. Ein etwas zappeliger junger Typ, Zirkusschule-Dozent in Montreal, ja sowas gibt es, stets mit Kamera um den Hals und Wertsachentasche unter der Schulter. «Cool» sagt er zu fast allem, er spricht besser französisch als Englisch, ich umgekehrt, aber wir verstehen uns.
Die Sinai im Hafen von Assuan High Dam, Blick auf die Brücke, Dinner in der Messe, Männertoilette
Blick ans Ufer, kreuzendes Kreuzfahrtschiff backbord, Sonnenuntergang am Sonntagabend, Hafen von Wadi Halfa, Sudan
Später am Abend werden die Ausländer in ein Büro gebeten. Die sudanesische Passkontrolle. Der übliche Schreibkram, kein Computer weit und breit, tägg, Stempel aufs Visum, schliesslich sind wir drin im Sudan, obwohl wir noch in Ägypten sind. Dann Blicke und Fotos vom Oberdeck. Rund um den See nur Wüste. Kein Baum, kein Grashalm, kein Mensch, nur Fels und Sand. In der Abenddämmerung ein Kreuzfahrtschiff backbord, halb oder ganz leer, auch hier ist der Touristenstrom zusammengebrochen, unten am Damm hängen vier, fünf, solcher Cruiser an den Seilen am Pier. Kleiner Besuch auf der Brücke, Nicolas fotografiert wie wild, sagt: «cool!», versucht mit der Crew ins Gespräch zu kommen, geht schlecht, es mangelt an Englischkenntnissen. Später in der Nacht steige ich nochmals aufs Oberdeck, es ist stockdunkel weil Leermond, See und Wüste sind kaum voneinander zu unterscheiden.
Auch auf der Brücke ist es schwarz wie in einem Kuhmagen, ein paar Lämpchen und Leuchtdioden blinzeln grün und orange. In einem kleinen Holzkästschen schimmert schummrig und unscharf ein grünes Radarbild. Ob er sich tatsächlich nach diesem Bild orientiere, frage ich den Mann, der gerade Dienst hat. Das beachte er nicht wirklich, meint er: «I watch to the stars!» Dann erklärt er mir den Himmel vor uns und deutet auf einen besonderen Stern, nach dem er sich richte. Ich verstehe natürlich rein gar nichts von Astronomie, weiss nur, dass es eine hohe Kunst sein muss, in dieser Schwärze das Schiff in der Mitte des Sees zu halten und nicht auf einen Felsen am ausgefransten Ufer aufzufahren. Ob wir Abu Simbel sehen werden, frage ich den Steuermann. Ja, am frühen Morgen, meint er. Ich nehme mir vor, am frühen Morgen auf Deck zu ein. Doch der frühe Morgen schleicht an mir vorbei ebenso wie Abu Simbel. Ich schlafe überraschend gut in meinem Rattenloch und verpasse darum das Highlight des Tages.