Zugtickets löst man in Ägypten besser früh genug – Touristen müssen den Nachtzug nehmen – Infrastruktur ist im katastophalen Zustand – aber die Züge sind pünktlich – man kann auch billig fliegen
ALEXANDRIA – Ich hätte eben doch besser gestern schon das Ticket nach Kairo gekauft. Nun steh› ich da, bzw. sitz› und wart› auf den 14-Uhr-Zug. Dabei bin ich heute morgen extra früh genug aufgestanden, hab› mir ein Taxi zum Hauptbahnhof geschnappt und bin eine Stunde früher als mein ausgewählter Zug losgefahren wäre, am Ticketschalter angestanden. Das heisst, ich bin an drei Schaltern angestanden, an den ersten beiden hat man mich weitergewinkt, warum auch immer. Offensichtlich sind die vier Schalter, wovon einer unbesetzt ist, für verschiedenen Züge da oder für verschiedene Klassen oder verschiedenen Leute. Vielleicht steht das alles auf den vielen Zetteln, die rund um die Schalterfenster angeschlagen sind. Lesen müsste man sie können.
Der Zug um Zehn nach Gizeh ist schon voll, sagt die freundliche Schalterfrau. Der nächste, der in Frage kommen würde, ist der Zug nach Kairo, der fährt um 14 Uhr, aber der fährt eben nur bis Cairo Ramsess Station. Ein Zug von da nach Gizeh fährt dann aber nicht mehr, sagt die Frau. Vom Ramsess Bahnhof ist es mit dem Taxi eine gute halbe Stunde nach Gizeh, soviel weiss ich (was ich nicht weiss, ist, wie lange es in der Rush-Hour um 16:30 Uhr dauert, zu der ich ankommen werde). Also löse ich ein Ticket nach Cairo, was mich das Sümmchen von 100 EGP (ägyptische £) kostet (5.50Fr. (distanzmässig St.Gallen – Bern)). Soweit so gut, nur – was mach› ich nun bis zur Abfahrt? Mit zwei Gepäckstücken in den Händen die Stadt erkunden? Mich in eine Ecke legen und abdösen? Ein oder zwei Bier zwitschern, Zeitung lesen, im Internet rumhängen, Zmittag essen? Geht natürlich alles nicht. Es hat keine Gepäckfächer. Es hat keine ruhigen, bequemen Ecken (vom ganzen Bahnhof ist in etwa ein Viertel zugänglich, der Rest ist abgesperrt, verfallen, under construction oder unappetitlich. Bier gibt es im einzigen Café innerhalb des Bahhofs nicht. Free Public WiFi ebenso nicht. Für Zmittag ist es noch zu früh.
Also hänge ich im einzigen Café innerhalb des Bahnhofs ab, löse für superteure 49.90Fr. 2 GB Datenroaming bei der Swisscom (womit man 9x nach Kairo fahren könnte), check› dies und das im Internet und schick› halbfertige Blogposts auf meine Website, trink› 2 Kaffee’s turkish style, ess› 1 Chicken-Sandwich und schau› den herrenlosen Katzen zu (welche wiederum auf mein Sandwich schielen). Die zweieinhalbstündige Fahrt von Alexandria nach Kairo verläuft wenig spektakulär. Endlich, nach etlichen verkehrten Fahrten auf meinen vergangenen Reisen habe ich einen Stuhl der in die richtige Richtung steht und erst noch am Fenster. Ich kann also die Gegend betrachten. Bis zum Moment, wo der Zug eine leichte Richtungsänderung macht und die Sonne ins Abteil scheint. Das passt meinem Sitznachbarn nicht, worauf er mich bittet, die Vorhänge zuzuziehen. Worauf ich natürlich nichts mehr sehe von seinem schönen Land, was ich ihm auch zu verstehen gebe, aber er versteht glaubi› nicht.
Zwei Tage später und nach einer Exkursion ins Tal der Wale (echt imfall, siehe nächster Blogpost) möchte ich im Bahnhof von Gizeh ein Ticket nach Luxor lösen. Wieder winkt man mich 2x weiter, wieder braucht das natürlich seine Zeit, denn vor jedem Schalter stehen 10 Leute (wobei Frauen in Agypten immer Vortritt haben und die Männer deshalb links überholen dürfen, was Hoffungen auf baldiges Drankommen überraschend zerbröseln lassen kann (auch bei der Handgepäckkontrolle im Flughafen, wobei sich vor zwei Scannern automatisch zwei Kolonnen bilden (dumm nur, wenn man spät bemerkt, dass mann in der falschen steht))). Als ich endlich dran bin an dem mir zugewiesenen Schalter meint der Mann dahinter, dass «Ausländer» (und er sagt das Wort tatäschlich auf Deutsch, wobei ich erschrecke, denn als Ausländer wird man im Ausland eigentlich selten als Ausländer angesprochen) hier nicht bedient werden, sondern am Spezialschalter für Nachtzüge anstehen müssen (wobei mir nun klar wird, dass schon die beiden Schalterleute vorher mit ihrem Winken nach rechts den speziellen Ausländerschalter noch weiter rechts neben der Schalteranlage meinten).
Nachdem ich mir die Preisliste der Nachtzüge betrachtet habe, lasse ich Raffad, meinem Tour-Driver, auf den Schaltermann von vorhin los um in Erfahrung zu bringen, wie das gemeint sei mit der Ausländerabweisung. Ausländer können keine Fernzüge lösen, klärt er mich dann auf, für die 10-stündige Fahrt nach Luxor muss man, also ich, den Nachtzug nehmen. Der aber kostet je nach Komfort und Privatsphäre zwischen 40 und 120 US$ – dafür sei er aber bestens bewacht. Nur ist dieser Zug zum Schlafen da und nicht zum Betrachten der Landschaft, was zwar Sinn macht aber mir keinen gibt. Ausserdem kann oder darf ich ja noch eine bezahlte Nacht im Hotel Mercure Le Sphinx in Gizeh abschlafen. Man könne auch einen ägyptischen Strohmann das Ticket kaufen lassen, lese ich später im Hotel im Internet (es hat im Bahnhof von Gizeh kein WiFi), man bekomme keine Probleme im Zug, meint da Einer, der es ausprobiert hat. Ich habe jedoch keine Lust, morgen nochmal zum Bahnhof reinzufahren, bzw. mich von einem Taxi reinfahren zu lassen (würde auch ausserhalb der Rush Hour 1 Stunde dauern), um dann womöglich zu vergewärtigen, dass der Zug schon voll ist (der einzige Zug von Kairo nach Luxor, der nicht zu nachtschlafener Zeit ankommt, fährt morgens um 08h30).
Auch die Egyptian National Railways im 21. Jahrhundert angekommen (was man angesichts der katastrophalen Gleisanlagen nicht gleich glauben würde) und man kann Tickets auch online kaufen. Dieser Sache aber traue ich nicht wirklich, denn angesichts der vielen falschen Fahrplanangaben kann ich mir schon vorstellen, dass ich dann mit einem (ausgedruckten) Ticket dastehe, das aus irgendwelchen Gründen nicht gültig ist. Also mache ich kurzen Prozess, kaufe in der last minute einen Flug bei der Nile Air nach Luxor und gut ist. Kostet mich 79Fr. für eine Stunde Flug was etwas mehr als der Hälfte des Preises für eine Pritsche in einem 2er-Abteil im Nachtzug entspricht. Das Problem dabei ist nur, dass ich dazu um 04h45 (in Worten: Viertel vor Fünf) aufstehen und mich dann diagonal durch Kairo fahren lassen muss, was schliesslich dennoch nur 40 Minuten statt der erwarteten 90 dauert. Morgens um Fünf sind die Strassen in Kairo noch frei.
Warum es die Schikane mit dem Nachtzug für Touristen überhaupt gibt, nimmt mich dann noch wunder. Im Internet erfahre ich, dass sie zu unserem Schutz eingeführt worden sei. Aber warum kostet’s dann 12x mehr? Diese Frage beantwortet mir Raffad: «Die wollen halt die Dollars!» Und irgendjemand verdient dabei kräftig mit.