Warum fahren eigentlich soviele Dacia-Taxis herum in Tanger (Kurzstrecken-Taxi’s erkennt man daran, dass sie blau sind)? Der Grund ist ein einfacher: Ein Dacia der günstigesten Ausführung kostet hier um die 7’500 Fr (74’500 Dirham für den Dacia Logan 1.2 MPI 75 Base, siehe Bild). Was natürlich nicht nur für die Taxifahrer ein Kaufargument ist, sondern auch für ganz normale Autofahrer. Der Preis ist heiss und günstig, trotzdem muss ein durchschnittlicher Arbeiter in Marokko 25 Monatslöhne für so einen Billg-Dacia aufwenden (unsereiner etwa 4).
Die Dacia’s, ob blau oder privat, prägen inflationär das Strassenbild in Tanger. Vor vier Jahren hat man, also ich, noch fast keinen gesehen. Nun schwirren diese ehemals aus Rumänien kommenden Autos überall herum. Ich komme nicht um die Vermutung herum, zu vermuten, dass die Taxihalter Dacia’s kaufen müssen, wenn sie ein neues Auto kaufen. Der Gedanke ist nicht so abwegig. Man weiss, dass Korruption und/oder sanfte bis dringendende Bürgerlenkung Instrumente der Regierung sind im Maghrebstaat.
Das Dacia-Aufkommen hat aber auch einen anderen Grund. Seit 2012 baut die Mutterfirma Renault in einem brandneuen Werk in der Nähe von Tanger mit 8’000 Mitarbeitenden Low-Cost-Dacia’s zusammen. 340’000 Dacia’s will man in dem 300 Hektaren grossen Industriepark «auf der grünen Wiese» jährlich ausstossen. Und tatsächlich lief im Juli dises Jahres, also nach fünfeinhalb Jahren der 1-millionste Dacia vom Band (2015 betrug die Produktion von Dacia in Marokko und Rumänien zusammen 550’000 Stück). Natürlich braucht Marokko nicht 240’000 neue Dacia’s pro Jahr, die Zahl der Neueinlösungen von Personenwagen betrug 2016 nur 147’000, der grösste Teil davon waren Importe (bei 35 Mio Einwohnenden etwas wenig, aber Autos werden hier viel länger im Verkehr gehalten als bei uns).
95 Prozent der in Tanger produzierten Dacia’s werden exportiert. Renault nutzt dazu den neuen Industriehafen Tanger Med ganz in der Nähe. Logistich ist das eine optimale Lösung (was auf Planung von langer Hand und von ganz oben auf beiden Seiten, Marokko und Frankreich, hindeutet). Die neuen Autos werden noch im Werk auf Güterzüge verladen, diese fahren die paar Kilometer zum Hafen, wo sie in Autoschiffe, sog. «Car Carriers», verladen werden. Von Tanger Med aus gehen die Dacia’s in zurzeit 73 Länder, unter anderem nach Europa (via Zeebrugge), Türkei, Ägypten, Naher und Mittlerer Osten. Die Regierung (der König) Marokko’s hat Renault die Ansiedlung des Werk’s (man spricht von einer Investitionssumme von 1 Mia €) gehörig versüsst: In den ersten fünf Jahren wurde das Unternehmen von der Unternehmenssteuer befreit, seit 2017 gilt für 20 Jahre ein ermäßigter Satz. Von der Mehrwertsteuer ist Renault/Dacia gleich ganz befreit.