Jetlag gehört nach dem Klassifikationssystem für Schlafstörungen «International Classification of Sleep Disorders» (ICSD-2) zu den Zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen und wird in diesem Zusammenhang als «Zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmusstörung, Typ Jetlag» bezeichnet.
Degersheim 6.3.17. Diese Definition stammt nicht von mir (muesch wiki klicke), aber ich hab› sie jetzt. Nicht die Definition – das Phänomen. Am frühen Freitagabend habe ich planmässig in Zürich aufgesetzt, naja, dreiviertel Stunden Verspätung waren’s dann noch, was der Grund war, hat uns die TAP nicht exakt mitgeteilt («due to operational Problems» heisst es dann immer wenn sie ein Buff haben). Die Nacht auf den Azoren hatte ich schlecht geschlafen, wie schon die Nächte zuvor. Dabei war es auf São Miguel recht ruhig und im schönen Hotel «Marina Atlântico» am Hafen von Ponta Delgada erst recht. Kein Tourist weit und breit. Die ganze leere Hafenpromenade (vom Regionalentwicklungsfonds der EU bezahlt) und die ganzen leeren Beizen darauf gehörten mir. So sollt’s eigentlich sein wenn man an einem schönen Ort ist und der Bacalhau nach Art des Hauses hat vorzüglich geschmeckt.
Doch wie gesagt, um etwa 4 Uhr (Lokalzeit) bin ich aufgewacht und konnte nicht mehr einschlafen. Um 06h45 hätte ich aufstehen müssen, bin ich dann auch, aber eben nicht ausgeschlafen, das Taxi war auf 07h15 bestellt, um 08h30 ging der Flieger. Im Hotel wirkte noch der Nachtconciérge, das Frühstück war noch nicht angerichtet. Ich bin kein Frühstücker, aber einen Kaffee hätte ich in diesem Moment schon gerne gehabt. Den gabs dann am Gate des neuen, kleinen und recht netten «Aeroporto João Paulo II», der so heisst, weil ein Papst 1991 die Insel besucht hatte. Dann verlief, abgesehen von der Abflugverspätung in Lissabon alles recht glatt. Ohne dass jemand die geringste Notiz nahm vom Weltreisenden, kehrte der heim und es fiel ihm nichts Besseres ein, als sich sofort an die Arbeit zu machen (muss ja wieder was reinkommen Ende Monat).
Drei Konzerte habe ich besucht seit Freitagabend, drei Kritiken geschrieben, den leeren Kühlschrank gefüllt, Vuelo aus der Pension geholt. Und ausserdem Fotos zusammengestellt für einen Talk heute abend beim Lokalfernsehen und ein Interview beantwortet für der Ostschweiz grösste Tageszeitung (siehe unten). Ausserdem Post gesichtet, Grünzeug gegossen (der Mandarinlibaum wird es wohl wieder einmal überleben), Kleinkram erledigt, das Übliche eben wenn man heimkommt. Daselbst habe ich meinen persönlichen Schlafrhythmus zu reinstallieren versucht, aber ging einfach nicht. Mitten in der Nacht wache ich auf, Probleme rasen durch mein Hirn, Fragen, ob jetzt ein heisser Tee oder ein Glas Rotwein gut wären, oder den TV einschalten und warten bis ich wieder müde genug bin oder eines der noch in der Schachtel verbliebenen Zolpidem einzuwerfen angebracht ist.
Dann der Ärger darüber, dass ich morgen wieder nicht fit sein werde, dabei steht doch wieder ein Haufen Arbeit an, ein Konzertbesuch (Jazz), dieser Auftritt beim TV, ja und der Blog! Der Blog wartet, seit drei Tagen nichts geschrieben, die Leute werden denken, ich sei doch noch abgestürzt (bin ich ja auch, biorhytmisch betrachtet). Letzte Nacht habe ich mich für das Glas Wein entschieden (nach einem heftigen Stuhlgang, auch das eine Erscheinung des Jetlag, man muss mitten in der Nacht auf die Toilette), es hat geholfen. Ich bin um etwa drei Uhr wieder eingeschlafen und erst um halb Zehn wieder aufgewacht. Mit schlechtem Gewissen natürlich – man kann doch nicht einfach so den Montag verschlafen. Doch meine Nachbarin, etwa 75 und erfreut, dass ich wieder da bin, sagte: «Schlafen sie einfach, wenn sie’s brauchen!»
Ab morgen, hoff› ich, wird mein Leben wieder normal verlaufen, abgesehen davon, dass man mich auch in zwei Wochen noch auf der Strasse ansprechen wird: «So bisch wieder doo?». In drei Wochen geht’s zur Schreib-Retraite nach Kalkara, mein Geheimziel im Mittelmeer. Und auch dann werden sie fragen, und ich werde zurückfragen: «Von wo jetzt, ich war eben grad schon wieder weg!»