Nichts scheint wie es ist. Dieser Liebesschwur – oder ist es ein Liebeswunsch? – muss harte Stürme überstehen. Und hat schon, wie man an der verwitterten Schrift sieht. Der Schreiber, die Schreiberin, hat übrigens erst mal einen Versuch (oben im Bild) gebraucht, den abgebrochen, vielleicht einen Moment später dann das Definitivum geschaffen. Vielleicht hat er, sie, es sich nochmals überlegt, erst mal eine Nacht darüber geschlafen. Aber vielleicht hat er, sie, sich doch noch zuerst mit dem, der Angesprochenen abgesprochen: «Meinstu, machen wir’s?» Es im Liebesrausch hinzuschreiben oder es leben, das Leben zusammen (und sich dabei auch noch permanent zu lieben), sind zwei verschiedene Dinge.
Ich glaube eher, das der, die, Schreibende darauf aufmerksam gemacht wurde, dass man es so, wie er, sie, es im ersten Versuch hingessprayt hat, nur mit massiven Kopfverrenkungen oder mit einer Kameradrohne lesen kann. Darauf hat er, sie, nochmals begonnen und der Schwur, den Wunsch, die Feststellung oder was immer er, sie, damit meinte, so hinzutaggen, dass man, also die Passsanten, die Touristen, die ganze Stadt, ich, es vom Ufer aus bequem lesen können. Das Geschriebene steht nämlich auf dem (Beton-)Grund des Flusses Guadalmedina, der Malaga mittig durchfliesst und in zwei Teile teilt. Nun ist der Begriff «fliessen» hierbei eher nicht angebracht. Die meiste Zeit fliesst der Guadalmedina nämlich nicht, nicht ein Tropfen, nicht mal als Rinnsal, denn gäbe es so eines, wäre es auf der Strecke aus den Bergen in Malagas Hinterland längst auch vertrocknet.
Das war nicht immer so. Einst teilte der Guadalmedina die Stadt nicht nur metaphorisch in zwei Teile: Am rechten Ufer wohnten die armen Schlucker, am linken haust die Oberschicht (in Fliessrichtung betrachtet, bzw. von Nord nach Süd, es ist wie erwähnt die meisten Zeit nicht zu erkennen, in welche Richtung das Wasser fliessen würde, so es denn fliesst). Das ist zwar immer noch so, aber zahlreiche Brücken verbinden links und rechts, der einst feuchte Graben des Guadalmedina ist kein Hindernis mehr, in die obere Schicht auf- oder in die Unterschicht abzusteigen. Dass ein trockenes Flussbett keinen guten Eindruck macht, schon gar nicht auf die Touristen, die man ja unbedingt anlocken will (siehe auch Abfalldeponien, pardon, ausgetrocknete Flussbette in Afrika oder Indien (oder Ex-Jugoslawien)), hat man auch in Malaga geckeckt.
Deshalb hat man in den vergangenen Jahren das Bett des nicht vorhandenen Flusses einem Urbanisierungsprogramm unterzogen. Man hat es eingedohl, teilweise begrünt, in Abschnitten betoniert, mit Treppen zugänglich gemacht. Damit ist zusätzlicher öffentlicher Raum für Freizeit, Sport und eventuell auch Kulur entstanden, man kann jetzt im Bett flanieren, Fussball spielen, Party machen oder Hunde scheissen lassen. Die grünen Abschnitte werden künstlich bewässert (nicht zurzeit, ob der Jahreszeit wegen oder aus Geldmangel, habe ich nicht in Erfahrung gebracht), die betonierten Flächen sauber gehalten (von den Benutzenden), so dass die ganze Sache in der Tat einen erfreulichen Eindruck macht. Und Touristen staunen lässt. Einen Kontrapunkt zur Enge in der Altstadt setzt. Die Seele schnaufen lässt.
Bleibt letztlich die Frage, ob das Pärchen, das sich hier die lebenslange Treue geschworen, gewünscht oder geträumt hat, von hüben oder drüben oder aus beiden Stadtteilen stammt. Wenn letzteres, wäre hier eine weitere symbolische Brücke geschlagen mit der Hoffnung, dass sie ein Leben lang hält. Oder zumindest bis es mal wieder richtig regnet im Hinterland.