Der Zug der leer in die Wüste fährt und voll wieder heraus – Der «train de désert» bringt jeden Tag 16’500 Tonnen Erz aus der Wüste an die Küste und damit 85 Prozent der Exporteinnahmen Mauretaniens
CHOUME. Es wird Zeit, endlich diesen Zug vorzustellen, wegen dem ich im zweiten Anlauf nach Mauretanien reise (siehe auch «Saharaoui» aus dem verlag grippedbäg von 2016). «Le train de désert» nennt ihn unserer Guide Idoumou, «le train minéralier» nennt ihn die staatliche Betreibergesellschaft Société Nationale Industrielle et Minière SNIM und die internationale Presse nennt ihn den «Erzzug» («the ore train»). Die internationale Presse hat den Zug auch schon verschätzt und ihn den längsten Güterzug der Welt genannt. Doch er dürfte nur der zweitlängste sein, denn scheint’s gibt es in Australien noch einen längeren. Doch der Wüstenzug ist auch als zweitlängster ein Ungetüm von schier unglaublichen Ausmassen: 220 Waggons hat er in seiner vollen Besetzung, jeder dieser Waggons ist 12 Meter lang, man rechne und kommt auf über zweieinhalb Kilometer. Der Zug verkehrt seit 1962 ohne grössere Unterbrüche und sichert Mauretanien, das nur geringe Ölvorkommen hat, 85 Prozent seiner Exporteinnahmen.
Wenn der Zug die Erzmine bei Zouerat in der mauretanischen Wüste verlässt, ist jeder dieser Waggons mit rund 75 Tonnen Eisenerz beladen, womit sich ein Gesamtgewicht der gezogenen Last von 20’000 Tonnen (inkl. Waggons und Lok’s) ergibt. Gezogen wird der Zug von zwei bis vier Dieselloks des amerikanischen Herstellers EMD mit je 4’500 PS. Seine Geschwindigkeit beträgt im Schnitt rund 45 Km/h, was eine theoretische Fahrzeit für die 692 Kilometer lange Strecke von etwa 16 Stunden ergibt. Tatsächlich beträgt die effektive Fahrzeit etwas mehr weil Anfahr- und Bremszeit sowie Tempodrosselung bei Kreuzungen nicht eingerechnet sind. Theoretisch ist der train minéralier ein Güterzug. Er wird aber immer wieder auch als Mitfahrgelegenheit von Menschen aus Zouerat oder den Dörfern an der Strecke benützt. Die SNIM scheint nichts dagegen zu haben, anderseits, wie sollte sie auch den Zugang zu den Waggons verwehren. Die Fahrt auf den mit Erzkrümeln beladenen Wagen ist jedoch ein Höllenritt. Wenn der Passagier nach 16 bis 18 Stunden in Nouadhibou ankommt, ist er mehr als schwarz vom Staub, den der Zug aufwirbelt, und er ist für eine Weile taub vom Lärm, den er macht. Dafür kostet dieser train ride dann auch nichts und er ist für viele Menschen die einzige Gelegenheit, ab und an mal aus ihren Dörfern in die Stadt zu kommen.
Täglich verkehrt mindestens ein Zug in eine Richtung. Ab und zu hängt die SNIM einen Personenwagen an, den aber am Schluss des Zuges und damit voll dem aufgewirbelten Staub und Sand ausgesetzt. Man kann reguläre Tickets kaufen, man kann aber auch den ganzen Wagen für einen Familien-, Firmen- oder Hochzeitsausflug buchen lassen. Idoumou mit seinem Reisebüro «Le Phare Du Désert» in Nouakschott macht das. Er organsiert auch das Catering, wenn nötig und die Rückreise mit Geländewagen. Dabei sollte man aber selber ebenso geländegängig sein, denn Strassen gibt es da wo der Zug verkehrt, keine. Mann kann aber auch einen Rückflug von Zouerat nach Nouadhibou buchen, die Mine in der Wüste hat einen eigenen Flughafen. Der kribbeligste Teil der Fahrt kommt nach etwa der Hälfte der fast 700 Kilometer. Dann fährt der Zug etwa 15 Minuten auf dem Territorium der Westsahra, dessen Landesgrenze zu Mauretanien und weiter nördlich zu Algerien von Marokko auf über 2’500 Kilometer vermint worden ist. Man sollte hier also nicht aussteigen, die Minen im Sand sieht man nicht und wahrscheinlich weiss nicht einmal das marokkanische Militär, wo sie sie im einzelnen vergraben hat.
Fotografische Hetzjagd – der Zug leitet fünf Kilometer vor dem Entladebahnhof die Bremsung ein.