Die Wüste lebt – eine fast verbotene Alternative zur obligaten Piramidenbesichtigung und ein magischer See – ein künstlicher Wasserfall der echt ist und das Wadi al-Hitan war einst ein Meer
GIZEH – Etwas lerne ich schnell in Ägypten: Als Tourist muss man immer sehr früh unterwegs sein. Gnadenlos holen einen die Tour Operators um Sieben vor dem Hotel ab, und wenn der Trip auch nur zu den Pyramiden geht (die von jedem Hotel in Gizeh in max. 15 Minuten erreichbar sind). Das führt dann zu Menschenaufläufen schon morgens um Acht, man glaubt es kaum. Das kommt davon, dass es im Sommer bei den Pyramiden und auch sonst überall ziemlich heiss wird im Laufe des Tages. Wer im Sommer nach Ägypten fahren muss, der wird das frühe Aufstehen um etwas zu erleben bestimmt schätzen. Ich aber nicht, und überhaupt, es ist Winter, es wird mittags gerade mal 20 Grad warm, also eigentlich kein Grund für morgendliche Hetze.
Aber bei den Guides und Operators ist das nun mal so drin im Biorhythmus. Eine Tour beginnt um Sieben, ganz gleich wohin sie führt. Ich füge mich also und stehe um Sieben in der Lobby. Einer hält ein Schild, auf dem «Michael Hug» steht, vor seiner Brust. Achmed, mein Führer. Wir fahren ins «Wadi al-Hitan», ins Tal der Wale («valley of whales»). Eigentlich sei die Tour verboten, teilte mir Nesma, die Dame bei «Maestro Tours» bei der Buchung mit. Aber es werde schon keine Probleme geben, meinte sie, das Schlimmste («most whorst») was passieren könnte, wäre, dass die Polizei uns zurückweisen würde. Doch jetzt offenbart mir Achmed, dass das Verbot schon vor zwei Monaten aufgehoben worden sei, Nesma sei nicht auf dem neuesten Stand. Das Verbot, im Übrigen, hätte die ganze Wüste westlich und östlich von Kairo betroffen (teilweise besteht das Verbot immer noch, vorab auf der Sinaihalbinsel), und sei wegen der Aktivitäten diverser Terroristen und/oder Jihadisten im Grenzgebiet zu Libyen ausgesprochen worden.
Doch Libyen ist weit weg (600km) und wir wollen ja nur ins Wadi al-Hitan, 175 Kilometer südwestlich von Kairo. Dafür brauche man gute drei Stunden, meint Fahrer Raffad. Es sei nicht geplant, das Ganze in einem Stück zu fahren. Man werde einen Tempel betrachten gehen, einen See, einen Wasserfall (echt jetzt!) und dann eben dieses Wadi. Auf dem Rückweg gäb’s dann nochmals einen See zu sehen, einen magischen sogar («magic lake») und einen Panoramaberg. Ausserdem werde man im Wadi einen Lunch bei den «locals» einnehmen. Ein beladenes Programm also, das braucht Zeit, mit ein Grund, dass man, also ich, um halb Sieben aufstehen musste (was zuhause zurzeit halb Sechs entsprechen täte). Und tatsächlich, wir werden die Zeit brauchen, denn auch ohne gross Abhängen unterwegs kommen wir erst zur Dämmerungszeit zurück.
Auf dem Weg ins Wadi fällt als erstes der grösste aller Friedhöfe weltweit (nun ja), auf. Als zweites, dass wir uns dabei bereits in der Wüste befinden. Die Wüste beginnt schon kurz nach den Pyramiden bei Gizeh und endet irgendwo in Marokko, sagt Achmed. Dies ist die Sahara, doch nennt man sie hier einfach «desert». Nicht dass diese Wüste unbewohnt wäre, es hat schon das eine und andere Dorf oder Oase, gar einen See (siehe oben), doch nach Gizeh ist nichts mehr grün, sondern alles nur noch beige, Sand eben. Man muss sich vorbereiten und deshalb fragt mich Raffad nach einer halben Stunde, ob ich noch zur Toilette («bathroom») müsse, weil jetzt käme dann nur noch Wüste (als ob mann in der Wüste nicht scheissen könnte). Ich muss nicht, «go ahead» sage ich, lass es rocken. Bald fährt Raffad von der «Regional Ring Road» (die eine dreispurige Autobahn ist) runter und wir sind jetzt 80 km südwestlich von Kairo und endgültig im ägyptischen Outback.
In der Folge kämpfen wir uns, also Raffad’s Toyota Landcruiser, 20 Minuten lang durch die Sandverwehungen auf der Strasse. Dann blitzt am Horizont der blaue Qarunsee und ich rufe «Stop – let’s take pictures!». Kaffeepause. Raffad entzündet seinen Gasbrenner im Kofferraum (!) und macht mir einen guten türkischen Kaffee. Die Sonne scheint (nicht brennt, was ja vorkommen soll in der Wüste), der Tag ist jung, das Panorama fantastisch, mein Leben in Ordnung.
Letzteres geht im nächsten Post weiter.