rosenböden
dann, so hundert meter vor dem gipfel, geht die sonne auf. geil, sage ich, nein, denke ich. sofort begeb‘ ich mich in die beiz, der erste gast des tages, die serviertochter, deutschland, wuselt noch in einer ecke. sie ist unerwartet freundlich und bringt einen kaffee und ein gipfeli. ich versuche, von jetzt an den tag zu geniessen, trete hinaus an die sonne und denke: wo sind all die leute hin, die mit mir in der seilbahnkabine waren?
weg sind sie, runter zu den rosenböden (unerklärlich, warum die so heissen, hier sind ziemlich sicher noch nie rosen gewachsen (die rosenböden befinden sich auf 2262 m.ü.m und ausserdem gibt es keinen pferdemist)), ist mir auch recht, ich geh‘ in die andere richtung, runter zum sattel am gamserrugg. ein kurzes vergnügen, denn bald wird mich der nebel wiederhaben. aber ein bemerkenswertes vergnügen. die stille ist schier greifbar, ich höre nur mich selbst und ein paar alarmschlagende dohlen, dazu die sonne, die alles wärmt und erhellt, auch das was darunter ist. erst kommt in mir ein sehr gutes gefühl auf, unerklärlich, unbeschreibbar, es würgt ein bitzli im hals, wie immer, wenn mich das glück schier erschlägt (was selten genug vorkommt, seien wir doch ehrlich).
dann der ärger. unerklärlich. er kommt aus der tiefe (in mir, nicht aus dem tal tenk), eben erst war da noch glück, jetzt diese elendscheissmistassholestimmung. sonne, stille, einsamkeit, perfekt, dann ich: ein kleiner wicht mit der wut im bauch. ich spüre meine zähne knirschen.
später, der nebel hat mich feucht und schadenfreudig umarmt, fliegt ein flugzeug weit oben über mich. stört die ruhe, mehr als eine stunde lang. ein zweites flugzeug, ein luftkampf, supponiert, ich erinnere mich an den «luftraum speer», den das schweizer militär zwei- oder dreimal im jahr zu seinem eigentum erklärt. exakt genau heute, dienstagmorgen, wenn ich hier bin. mein mir vorauseilender ärger hat also auf mich gewartet und jetzt sein opfer gefunden.
und plötzlich rege ich mich über die horrenden sieben franken auf, die ich droben im gipfelrestaurant für einen mittelmässigen kaffee und und ein gestern aufgebackenes gipfeli, das sich schon beim anschauen seiner obersten blätterteigschicht entblättert, bezahlt habe. 7 stutz für kaffee & gipfeli! im café meiner wahl daheim z’degersheim zahl‘ ich dafür 3.80 Fr. soviel kostet selbiges wahrscheinlich nicht einmal in der «clouds», dem edelrestaurant zuoberst im prime tower z’zöri une. ob simon ammann, toggenburger olympia-lattenheld vergangener jahre (und verwaltungsratsmitglied der bergbahnen, denen das restaurant auf dem chäserrugg gehört), über den sie hier in der gegend nichts kommen lassen und deshalb sein konterfei an jede scheune gepinnt haben (der seinen wohnsitz trotzdem schon vor jahren steueroptimert in den kanton schwyz verlegt hat), wohl weiss, was seine bodenmannschaft hier oben den kinderreichen familien für eine pausenjause abdrückt?
der überaus üble lärm der durchgeknallten luftkampfpiloten über mir im irgendwo echot an den flanken der felsen rund um mich. vuelo rennt dem geruch einer gemse nach, die schon längst über alle berge gehüpft ist und ich rege mich auf, weil ein wegrennendes vieh (die gemse) meine autorität untergräbt. den wenigen berggängern, die mir im nebel entgegenkeuchen, verweigere ich konstant den gruss. die, die sich im am gamserrugg im sonnendurchbrochenen nebel gegenseitig fotografieren, halte ich für komplette idioten, weil auf dem foto nur graue silhouetten im gegenlicht zu sehen sein werden. ach überhaupt können nur idioten auf die idee kommen, bei diesem nebel zu fuss auf den gipfel zu steigen, wo es doch eine seilbahn gibt.
um sich, also mich, zu ärgern, herrschen beste bedingungen. vor lauter vor mich hinärgern sehe ich nämlich meine umgebung nicht mehr. was kein grosser verlust ist, da ich in dieser suppe ja eh nichts sehe. nun ja, wenigstens habe ich ca. eine halbe stunde lang ein glücksgefühl gehabt. muss reichen bis der frühling kommt.