Fremd

Posted by michl on 02/08/2016 in motz |

Rede zum 1. August 2016 in Degersheim

Wämmer z’Ttiflis, dä Hauptstadt vo Georgie znacht am elfi usem Flughafe usechunnt, simmer zersch mol rootlos.

Georgie isch e chliis Land, chli grösser als d’Schwizz, aber nor d’Hälfti Iiwohner. Georgie hätt aber en eigni Sprooch und sogar en aigni Schrift (Plakat1):

ტაქსის

E Schrift, wo nöd annähernd usxseht wie irgend e Schrift, wo üüs bekannt isch, wo überhaupt kai Interpretatione zueloht. E schöni Schrift, aber äbä, als Tourist schtoosch zimli am Berg wennt us de Bezeichnige uf de Strasseschilder oder us de Reklame a de Gschäftshüser aifach nöd druss chunnsch, und no schlimmer: wenn d’Menucharte nöd im Gringschte verschtoosch. Zwor kennt Georgie au no e Zweitsprooch, nämlech Russisch, und villes isch au no uf Russisch aagschrebe. Aber äbä. Mer Tourischtinne und Tourischte, mer Schwizzer und Schwizzerinne väschtönd im Normalfall au nöd Russisch, no chömmer mit de russische Schrift öppis aafange.

Wemmer z’Helsinki uf de Schtadtbesichtigung zmittag am zwölfi plötzlich Hunger hend und dringend öppis z’Bisse mönd ha, denn chömmer denn au nöd em Gwohnte vertraue. Es chönnt scho sii, dass mer voreme Huus zue verhungeret, obwohl da druff stoht (Plakat2):

ravintola

Und nomol e Biispill, wommer nöd wösset wie wiiter, obwohl mindestens 50% vo de Situation enad klar isch: (Plakat3):

M | V

Und drum xsehmer zimli alt us z’Tiflis am Flughafe, z’Helsinki i de Fuessgängerzone oder z’Litaue vorem öffentliche WC.

Es iisch villes fremd im Ossland. Es isch sehr vill me fremd, als mer gmaint hend, bevor mer gange sind. Mer alli wösset, das üses Dütsch usserhalb vo de Schwizz, vo Dütschland oder Öschterriich scho gli nüt me gilt. Mer händ leider nöd s’Selbschtvertraue vo den’Amerikaner, wo globet, aifach überall dörezcho, die wo nöd im gringschte dra denket, dass amene anderen’Ort andersch gred weert. Klar, sie chömed immer döre, well zufälligerwiis weert a villne n’Orte au Englisch gret. Aber mer weered chromm aaglueget, wemmer versueched, üs uuszdrucke mit Dütsch oder wemmer die aifachschte Begriff versueched z’entziffere. Das Problem mit dem litauische WC gitz nämli z’Tiflis au. Und da isch jo denn no s’chliinscht Problem.

D’Sprooch und d’Schrift sind üs fremd im Ossland. Aber eigetli sind jo meer fremd im Ossland, nöd s’Ossland isch fremd. Meer sind die Fremde, und di andere sind di Iihaimische. Meer wösset da und passed üüs aa so guetz halt goot. Meer lerned gezwungenermasse d’Sprooch oder Teil vo de Sprooch, mer lernet onder Omschtände au d’Schrift und schtelled denn i villne Fäll fescht, dasses vill Übereinstimmige git. Es macht mengmol sogar Schpaass, die fremde Buechstäbe z’lerne, denket nur a s’Griechisch. Da Alphabet hätt doch fascht jedi und jede i de Schule glernt. Und au bem Russisch lached mer, wemmer versuched, e Wort so uus’zschpreche wies gschrebe isch, und falled denn druf ine, wenn gwössi Buechstabe ähnlech geschrebe sind wie üsi aber ganz andersch uusgschproche weered.

Fremd. Wie gothz ächt dene, wo bi üs fremd sind? I globe, de Tourischte goohtz nöd schlecht. Die nehmed sich en Füerer oder e Füereri und s’Problem isch glöst. Und meh und meh bemüed jo au mer Schwizzer und Schwizzerin üs, mindeschtens e bitzli Englisch z’lerne, wemmer doch scho mit em Französisch so Mühe hend. Mer bemüed üs, dass üses Land de Fremde nöd allzu fremd voorchunnt.

Aber wa isch mit dene, wo chömed oder müend cho, us Länder wo ganz anderi Schriftzeiche und Sprooche hend? Die xsehnd am Flughafe, am Grenzbahnhof oder a de grüene Grenze au zimli alt uus. Nöd s’Aifachscht chönntz lese, nöd s’Aifachscht säge. Sie chratzed sich am Chopf und hadered mit sich, dör weli Tör s’ächt mönd goo wenn’s mol dringend müend. Die Art von Reisende nemet sich denn halt au en Füerer oder e Füereri. Nor saitmer demm denn nöd so und s’choscht au vill meh.

Die meischte Fremde a üsere Grenze sind aapassigsfähig, so wie au meer üs chönd aapasse. Wie xsait, mer lerned d’Schprooch, d’Sitte und d’Gepflogeheite vom Land, wommer anegönd. Dasch jo s’Mindscht wommer chönd, jo mönd mache. Mer lernedt bi üüs im aigne Land aber au vill fremds. Mengmol wömmer’s lerne, aber meischtens merkemers gar nöd, dassmer grad öppis fremds glernt hend.

Da fangt jo scho i de Schule a. Usgrechnet im Dütsch lerned mehr fascht meh fremdi Wörter als dütschi: De Dativ, de Akkusativ, de Konkunktiv, de Imperativ, de Präservativ – ups, da wär denn en anders Fach.

Die wo Germanistik – d’Lehre vo de tütsche Schprooch wert mitemene Fremdwort bezeichnet – schtudiered, jo die lernet die ganz Zitt nor Fremdwort: Semantik, Synonym, Synopsis, Literatur, Romanistik, Belletristik, Präambel, Prolog, Epilog, Nekrolog undsowiiter

Die wo Medizin schtudiered lerned en Huufe über de Thorax, über de Abdomen, über d’Chondrokalzinose, über Vasektomie, über Diabetes, über sediere und anästhesiere, über künschtlichs Koma und übers Uvulaödem – kai schöni Sach im Fall, betrifft oft die wo schnarchlet. Jo d’Mediziner, d’Urulogen, d’Geriatriker, d’Chirurge, d’Orthopäde chönntet sich da ganz Tag unterhalte und mer verschtönd kai Wort. Ä fremdi Schprooch, fremdi Wort. «Medizinische Praxisassistentin», drü Fremtwörter i aim Bruef.

Und denn de Sanitätmonteur, de Mechatroniker, de Mediamatiker, de Automatiker. Alles typische und beliebti Schwiizzer Brüef, aber alli mit Fremdwort bezeichnet. Und vör de Elektromonteur, de Schtromer, chunntz denn im vierte Lehrjohr no ganz dick: Synchronmaschine, Phaseverschiebig, Induktion, Reaktanz, Impedanz, Sinus, Co-sinus, Co-Tangens, Rekuperation – machetz am Gotthard obe imfall – Motor, Generator, Transformator – alles fremdi Bezeichnige

Fremdwörter also überall: Im Schpitol, bem Tokter, uf de Bauschtell, Fremdwörter wo kein normale Mensch verstooht, Diarrhoe, Gonorhoe, Obstipation, Inkontinenz, Meningitis, Gastritis. I de Wisseschaft, do ersch recht Fremdwörter, Zenith, Zodiak, Äquator, Deklination, Ekliptik, Logarhythmus, Algebra, Trigonometrie, Plasphemie – ups, ghört uf en anderi Bauschtell, döt wommer vo Liturgie und Eucharistie oder Kommunion und Exkommunion redt. Jo sogar förs s’fremdgooh gittz e Fremdwort, es heisst Genetisches Shopping, gilt nur vör d’Fraue, well d’Manne gönd jo nöd fremd. Deför gittz vör beidi Gschlechter, ganz im Sinn vo de Genderproblematik, e Wort vör öftere wechselnde Sexualbeziehungen, es heisst Promiskuität.

Mehr Schwizzer und Schwizzerinne – ehr xsehnd, ich betone au s’wiiblich Gschlecht, au da hätt inzwösche e Fremdwort öbercho: es heisst, wi gad xseh: Genderproblematik – mehr Schwizzer und Schwizzerinne weehred die ganz Zitt gimpft und übergosse und indoktriniert mit fremde Wort. Und zwor masseiiwanderigshaft.

Vill vo dene Wörter wählet mer freiwillig, wemmer üs gepflegt oder ganz gschiid wönd uusdrucke, zom Biispill bem Small Talk – au da isch e Fremdwort – oder ebe jetzt woni daar en Erschtaugustred rede. Aber no vill meh fremdi Wort weeret üüs regelrecht ufdruckt, uufzwunge, oktroyiert und das scho sitt Johre, jo Johrhunderte. Die meischte fremde Wort chömed usem alte Griecheland, us Ägypte oder us Rom, aber au us Ungarn, zom Bischpill Kutsche oder Gulasch, oder usem Sanskrit: Guru, Nirwana, oder gäär us Grönland, wo s’Huus Iglu heisst. De antiki Schproochschatz hätt sich längscht erschöpft, und trotzdem giired üsi Gsellschaft immer noch no neuere Wörter, vorzugswiis äbä fremde Wörter. Jetzt alltäglichi Wörter sind erscht i de letschte zäh Johr alltäglich worde. Mitem Handy chammer maile, poste, twittere, chatte, skaipe und blogge, und am End chammer sogar no telephoniere, au da e Fremd Wort, aber scho elter. Cooli Sach.

Fremdi Wort überall. Au dehai. Computer. Induktionsherd. Sideboard. I de Politik: Parlament. Demokratie. Initiative. I de Wirtschaft: Inflation, Rezession, Zession, Profit, Konkurs und de Boss heisst nüme Boss, sondern CEO. Alles fremdi Wort. Mer hends aagnooh, adaptiert, au well fremdi Wort halt meischtens i aim Wort chönd uusdrocke, wommer mit düütsche Wort ganz Sätz deför bruucht. Drum sind si üs au lieb worde und mer verlüüred bem Rede oder Schriibe kain Gedanke dra, dass es ebe aigentli fremdi Wort sind. Anderi wiederum nemmetmer nor widerwillig a, wöretz lieber weglooh, aber s’ghooht nöd, si chömed glich, sie misched sich glich i üsen Schproogebruuch, und zwor mit aller Gwalt:

Asylant, Minarett, Burka, Tschador, Jihad, Imam, Hamam, Allah, Attentat, Terror, Immigrant, renitent – heiligs Verdiene, wie hemmer da verdient. Usegheie, zuemache, zroggschigge, abschiebe, abschotte – jo au vör da gitz e fremds Wort. Es heisst Isolation. D’Schwizz de Schwizzer- und Schwizzerine. En äähnliche Begriff heisst Protektionismus. Essemer Chöl und Kabis und Rüebli – d’Ananas, d’Banane, d’Khaki und s’kanadisch Pferdefleisch cha dossebliibe. Vo dosse nemmermer nor da wammer wönd, mer picked d’Rosine, mer wönd nor de Disl und s’Benzin und en Computer und s’Handy. Und e Houmpeitsch. Und chinesische Bsetzistei. Und die gschiide Lüüt und die tüüre Banker. Und s’Auto. Isch tenk klar. Und de Riis. Und d’Härdöpfl vör d’Pommschips. Jo und d’Schoggi. Und de Kafi. Und Kokain! Ups – anderi Baustell.

Und im übrige blibet mer do. Mer händs jo so schö. Schmiered üüs mit Sonnegrem ii und sind protectet. Me gönd nono use wemmer mönd und Ferie mönds aim ghe. Aber söss bsueched mer die Fremde nüme und schicked au kein Truppe, selbst em Fride zlieb nöd. Mer händ jo immer nor uf de Sack übercho, döt z’Marignano und s’andermol z’Bibracte. Jo Bibracte, genau, die Schlacht bei Bibracte, 58 vor Christus – Gschicht i de föfte Klass. D’Schwizzer und Schwizzerinnen, wo doo no Helvetier und Helvetierinnen gheisse hend, sind hai gschickt worde, mit Schimpf und Schand und emene Huufe Bluet, vom Feldherr und römische Proconsul Gaius Julius Cäsar himself. Was vören Ehr, immerhin. Verprüglet und haigschickt worde, und das isch gute so, soss gäbs üs nämlich gar nöd und mer wäred Franzose und Französinne, Gallier und Gallierinne und hettet hüt nüt z’fiire.

I verzell kain saich, imfall, isch alles wohr und ufgschrebe worde, vom erschte sogenannte embedded Journalist, vom erschte iibettete Prichterstatter, em Sekretär vom Julius nämlech. Die Prichterstattig chame noolese, i betone: chame, Latiiner i de Kanti müends, und möse isch nöd übertribe, es sind nämli zäh Bänd. De bello gallico. Vom gallischen Krieg. De Autor isch en Kolleg vo meer.

Fremde. Worte. kommen. über. uns. Überfremdig. «Wottschmi produziere?» frögt der aint. «Nei, Fremdwörter sind nöd miis Röscho!» sait der ander. Da chas ebe aug ghe: me weiss nöd wammer sait. Me redt en Saich. Mit Fremde – Wörter umghoo haisst: sich demit beschäftige. Me sött scho chli wösse, mittwemmers z’tue het. Vo wammer redt. Mit wemmer redt. Nöd Prokrastination säge wemmer Kastration maint. Oder umgekehrt. Kastration isch e chorzes, wennau schmerzhafts Liide. Prokrastination isch ä unschmerzhafts, langs schwers, fascht unheilbars Leide. I liide dronder. Da heisst, i liide eigetli nöd, i has aifach. Dasch chli bezeichnend a de Prokrastination, meh fühlt sich nöd chrank debii. De Verchersverein hätt hüür au a Prokrastination glette. Er hätt d’Suech nocheme eloquente Redner vör de 1. Auguscht so lang ufgschobe, biser halt nono en mittelmässig talentierte C-Promi gfonde hett zom do ufeschtohh. Er hätt prokrastiniert. Und i ha ebeso prokrastiniert und die Red do erscht hütt Nomittag gschrebe.

Jetz mömmer aber zom Schluss cho und verschidene Rätsel uflööse.

Erschtens: Prokrastination heisst, gepflegt uusdrockt: Erledigungsblockade. I de Umgangsschprooch uusdrockt heissts eifach Ufschieberei. Was du heut nicht willst besorgen, das verschieb getrost auf morgen. Dasch Prokrastination. D’Chrankekasse zallts nöd.

Zweitens:

M | V

Die Zaiche do finntmer uf de litauische WC-Töre. Aber obacht: Mit Awendig vo Blochersche Logik «Vroue und Mane» laufts denn schief. «M» stoot vör Moteru, also Frau, und «V» stoot för Viru, de Maa.

ravintola

Und dää Schriftzug xsehnd er a dem Huus, vor demm ehr z’Helsinki fascht verhungeret wääred, es heisst «Restaurant» uf Finnisch.

ტაქსის

Und bi dem Wort wunderets mi nöd, dassers nöd hend chöne läsä, es isch nämli vächeehrt: S‘ heisst Taxi. Wenner jetzt also demnächst mol z’Tiflis usem Flughafe usechömed, denn lueged uf d’Auto wo so aagschrebe sind. Denn sind schomol en grosse Schritt wiiter i de Fremdi.

Und jetzt wommer d’Laudatio – Achtung Fremdwort! – ghört und de Apero – au e Fremdwort! – gha hend, gömmer zu de Hymne – scho wider e Fremdwort! – öbere.

Aber vorsicht, i üsere Hymne hättz kai Fremdwörter!

Liebs Publikum – hoppla, scho wider – Tanke villmol.

Copyright © 2012-2024 michl's All rights reserved.
This site is using the Desk Mess Mirrored theme, v2.5, from BuyNowShop.com.