nidelzone
Zum Verspeisen von Nidelzone muss man auf eine Alp gehen. Ich meine fahren. Alle fahren heutzutag’s auf die Alp, selbst die Bauern (darum nennen sie es ja auch «öberefahre»). Neulich bin ich auf so eine Alp gefahren. Berufsmässig. Zum Vergnügen wäre ich niemals auf diese Alp gefahren, es regnete nämlich in Strömen. Was ja an sich nicht Neues ist in diesen Tagen. Auf die Alp geht man, also fährt man, für gewöhnlich nur bei schönem Wetter (schönes Wetter: du weisst, damals!). Doch ein Reportageauftrag hatte mich bei richtig miesem Wetter auf die Alp Burch-Stofel beordert. Es hiess, ich sollte «mal was über die Nidelzune machen».
Also machte ich. Dabei kam ich zum ersten Mal in my life in den Genuss einer Nidelzone. «Nidelzone» sagen wir Untertogenburger, im Gegensatz zu den Obertoggenburgern, die sagen «Nidelzune» (und die inneren Appenzeller sagen «Rohmzune»). Selbstverständlich muss man die Nidelzone essen, wenn man eine Reportage darüber macht. Also ass ich. Und man muss zusehen, wenn sie zubereitet wird. Also sah ich zu. Bauer Hüberli sagte, es brauche dazu 1 Liter Rahm, 4 gehäufte Esslöffel Mehl und 1 rohes Ei. Man schüttet alles in eine Pfanne und kocht das Zeug auf. Man muss ständig rühren sonst «hockt» es an.
Wenn das ganze immer dicker wird, gibt man Salz dazu, soviel wie einem gut dünkt. Wenn man den Eindruck hat, die Zone sei jetzt dick genug, spätestens aber wenn das Fett sich scheidet, aber dann ist es zu spät, nimmt man die Pfanne vom Herd und hockt sich mit ebendieser zu viert an einen Tisch. Die Nidelzone muss man gemeinsam aus der Pfanne löffeln, das ist einfach so. An den gelben Fettaugen auf der weissen Zone muss man einfach vorbeisehen, sonst vergeht einem der Appetit. Zur Nidelzone gibt es Brot und kalte Milch. Nach etwa der Hälfte der für einem zugedachten Menge hat man genug. Den Rest essen die drei Anderen.
Die Nidelzone ist nichts speziell raffiniertes oder gegessen haben gemusstes. Sie wird aus dem gemacht, was man auf der Alp genug hat, nämlich Rahm. Im Grunde ist es das, was wir im Tal eine Rahmsauce nennen. Man könnte noch etwas Weisswein reintun, dann wär’s eine Weissweinrahmsauce. Nidelzone ist ziemlich nahrhaft und gibt darum Energie für den Job auf der Alp. Aber kein Mensch hier im Tal käme auf den Gedanken, eine Sauce als Hauptmahlzeit zu essen. Bauern sagen: Früher habe man morgens vor dem «öberefahre» eine Nidelzone gegessen, das habe Boden gegeben für den vielen Weisswein, der ihnen von den Leuten am Weg «useghebet» wurde.
Heute essen die Bauern fast das selbe wie wir Nichtbauern (auch Bananen imfall und Ananas). Nidelzone essen sie nur noch wegen der Show und wie eben an so einer Stobete wie neulich. Eigentlich ist aber die Nidelzone für solche Events ziemlich unökonomisch. Man muss nämlich einen ganzen Mitarbeiter (Senn/Grossmutter/Kind) für das Umrühren abdetachieren. Der oder die macht dann nichts anderes als rühren. Was schon 20 bis 30 Minuten dauern kann und einiges an Kompetenz erfordert. Bei den Löhnen im Tal wäre die Nidelzone unbezahlbar. Deshalb gibt es sie in keiner Beiz.
Meine erste Nidelzone hat mir für den ganzen Tag Boden gegeben. Sie hat derart «gfueret», dass ich mir an jenem Tag nichts mehr kochen musste. Wein habe ich dann auch getrunken. Es war ein roter. Veträgt sich aber auch gut mit weisser Nidelzone.